Josef Rheinberger

1839 - 1901


In einem Begleittext zur Neuaufnahme der beiden Orgelkonzerte von Josef Rheinberger durch den Organisten Edward Power Biggs im Jahr 1973 bezeichnete Knut Franke den Komponisten als den ´bekanntesten der unbekannten Romantiker`, gut vierzig Jahre zuvor heisst es bei dem Musikologen August Schmidt-Lindner über Rheinberger: ´Seine Klaviermusik kann man kurzweg mit zwei Attributen belegen: vorzüglich und unbekannt.` Beide Aussagen treffen auch heute noch zu, wobei die doppelte Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung Rheinbergers im internationalen Konzertleben und seiner Repräsentanz im Verlagswesen und auf Tonträgern geradezu frappierend ist: der Carus Verlag hat sein Gesamtwerk in vorbildlicher Weise herausgegeben und auf CD liegen nicht nur seine Orgelwerke, auch die Kompositionen für das Klavier, die Werke mit Orchester und seine Kammermusik und selbst seine zahlreichen Messen und Requien fast lückenlos auf CD vor, wenn auch nicht immer in hochklassigen Einspielungen. Defizite bestehen bei seinen weltlichen Chorwerken für gemischten und reinen Männerchor und den zahlreichen Liedern. Hier soll – ganz im Sinne des ersten Biografen Rheinbergers, Theodor Kroyer – das in 197 Opuszahlen veröffentlichte Gesamtwerk betrachtet werden, Kroyer schrieb 1916: ´Wer diesen Meister innerlich sich näherbrigen will, mag wohl zuerst nach seiner Kirchenmusik greifen, Aber er bedarf unbedingt des Ganzen, um diesen besten Teil seines Schaffens zu würdigen.`

Josef Gabriel Rheinberger wurde am 17. März 1839 in Vaduz geboren. Im Alter von fünf Jahren erhielt er ersten Musikunterricht, bereits zwei Jahre später übernahm er in der direkt neben seinem Elternhaus gelegenen Florinskapelle das Orgelspiel, gleichzeitig entstanden erste kleine Werke, darunter 1847 eine Messe C-Dur für drei Singstimmen und Orgel JWV 150. Seine weitere Ausbildung übernahm 1849 der in Feldkirch – zur damaligen Zeit eine Art kulturelles Zentrum – ansässige Philipp M. Schmutzer, der sich zuvor als Cellist einen hervorragenden Ruf erarbeitet hatte und seinen Schüler insbesondere mit Werken von Bach, Mozart und Beethoven vertraut machte. Aber schon im Oktober 1851 übersiedelte Rheinberger im Alter von 12 Jahren nach München, bestand im November die Aufnahmeprüfung am dortigen ´Königlichen Conservatorium für Musik` und erhielt fortan Unterricht in Fächern Klavier und Theorie sowie infolge eigener Initiative zusätzlich im Orgelspiel. Aufgrund seiner auffällig guten Leistungen im Studium erregte Rheinberger die Aufmerksamkeit des einflussreichen Geologen, Physikers und Musikwissenschaftlers Karl Emil von Schafhäutl, dem es infolge seines finanziellen Engagements in erster Linie zu verdanken war, dass der junge Mann nach glänzend bestandener Abschlußprüfung im Jahre 1854 seine Studien bei Franz Lachner auf privater Basis vertiefen konnte. Dieser Schritt sollte wegweisend sein für Rheinbergers weiteres Leben: er blieb zeitlebens in München.

Bereits 1855 schrieb Rheinberger das berühmte Abendlied ´Bleib bei uns`, das später im Rahmen der `Geistlichen Gesänge op. 69` veröffentlicht wurde. 1857 übernahm er die Stelle als Organist an der Theatiner-Hofkirche St. Katejan, daneben war als Korrepetitor am Münchner Oratorienverein, dessen Leitung er vier Jahre später übernahm und als privater Klavierlehrer tätig. Am 1. Mai 1859 folgte die Anstellung als Klavierlehrer am Münchner Konservatorium, ein Jahr später wurden ihm auch die Bereiche Harmonielehre und Kontrapunkt übertragen.

Schon 1857 hatte Rheinberger seine spätere, sieben Jahre ältere Ehefrau Franziska (Fanny) von Hoffnaaß kennengelernt, die er am 24. April 1867 heiratete - zwei Jahre nach dem Tod ihres ersten Mannes. Von Fanny stammen einige Texte zu Rheinberger-Vertonungen, so die Legende ´Christoforus`, die Weihnachts-Kantate  ´Der Stern von Bethlehem` und der Liederkreis ´Aus verborgnem Tal`.

Kurz nach der Heirat erhielt Rheinberger einen Ruf als Lehrer für Komposition und Orgelspiel an die Königliche-Hofmusik-Intendanz, die mit einem Jahresgehalt von 1200 Gulden gut dotiert war.

1871 übernahm Rheinberger zusammen mit Franz Wüllner die Leitung der Königlichen Musikschule (Nachfolge-Organisation des Konservatoriums). Die Lehrtätigkeit für die Bereiche Orgel, Klavier und Theorie füllte er bis zu seinem Tod aus, zahlreiche Schüler, darunter Engelbert Humperdinck, Ermanno Wolf-Ferrari, Wilhelm Furtwängler und – last not least – Louise Adolpha Le Beau, die seinen exzellenten Ruf als Lehrer verdeutlichen.  1877 wurde Rheinberger nach dessen Demissionierung Wüllners Nachfolger als Erster Hofkapellmeister und Leiter der Königlichen Vokalkapelle an der Allerheiligen-Hofkirche.

Zahlreiche Ehrungen begleiteten seinen Weg als Lehrer, Dirigent und Komponist, der sich mit zunehmendem Alter immer stärker der Sakral- und Orgelmusik zuwandte. Nach dem Tod seiner Frau 1892 zog Rheinberger sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück, blieb aber kompositorisch bis zu seinem Tod aktiv. Rheinberger starb am 25. November 1901 und wurde auf dem Südlichen Friedhof München begraben. Nach erheblichen Beschädigungen der Grabstätte während des 2. Weltkriegs wurden Rheinbergers Gebeine am 29. Juli 1949 in seine Heimatstadt Vaduz auf den Friedhof der Pfarrei St. Florin überführt.

 

ORGEL SOLO

Orgelsonaten

Orgelsonate Nr. 1 c-moll op. 27

Interessanterweise wandte Rheinberger sich der Komposition großformatiger Orgelwerke erst zu, als er nicht mehr als Organist aktiv tätig war. Die Komposition aus dem 1868 besteht aus drei Sätzen: einem an Bach orientierten, aber dennoch romantisch klingenden Prelude gefolgt von einem Andante als volksliedhafter Variationssatz und einem Fugen-Finale voller kontrapunktischer Steigerungen. 

Orgelsonate Nr. 2 As-Dur op. 65

Der dieser 1871 geschriebenen Sonate hat Rheinberger den Titel Fantasie-Sonate gegeben, möglicherweise als Klarstellung, dass es sich um eine weltliche Komposition handelt, was sich in Teilen auch in der formalen Anlage wiederspiegelt. Die Satzfolge lautet: Grave – Allegro, Adagio espressivo, Finale – Fuga, wobei das Finale keine reine Fuge ist, aber eine enthält.

Orgelsonate Nr. 3 G-Dur op. 88

1875 entstanden und aufgrund der leicht zu spielenden beiden ersten Sätze sehr beliebt bei Hörern und manchen Organisten. Die Sätze lauten: Pastorale, Intermezzo, Fuge, wobei der letzte Satz den kompositorischen Höhepunkt des Stücks darstellt.

Orgelsonate Nr. 4 a-moll op. 98

Ein Jahr nach der 3. Sonate geschrieben straft zumindest der erste Satz (Tempo Moderato) alle Behauptungen Lügen, für die Orgel könne man keine Sonatensätze schreiben: hier finden wir genau diese Form in Reinkultur. Es folgt ein Intermezzo, das Rheinberger selbst sehr gut gefallen haben muss, denn er verwendete das Thema 10 Jahre später in einem Andante pastorale für Horn und Orgel und später in seinem Weihnachtsoratorium ´Der Stern von Bethlehem`. Den Schluß bildet die übliche Fuge, bezeichnet und gesetzt als Fuga chromatica.

Orgelsonate Nr. 5 Fis-Dur op. 111

Mit dieser Sonate aus dem Jahr 1878 beginnt Rheinbergers Weg zur ´Orgelsinfonie` (Weyer S. 67). Die zum Ende wiederholte Einleitung (Grave) umschließt eine Doppelfuge (Allegro moderato), während das folgende Adagio non troppo zwei Satzarten ineinander verschachtelt, indem als Mittelteil des Satzes ein Scherzo erscheint. Das Finale trumpft ein wenig zu laut auf.

Orgelsonate Nr. 6 es-moll op. 119

Die erste von insgesamt sechs viersätzigen Sonaten aus dem Jahr 1880. Der erste Satz (Preludio) besteht aus zwei verwandten Themen, die stark kontrapunktisch verwoben werden. Satz 2 (Intermezzo) atmet totale Ruhe, ganz ähnlich auch Satz 3 (Marcia religiosa) mit seinem Prozessions-Charakter. Die abschliessende Fuga ist klassisch gebaut, zum Ende erklingt im pianissimo das Hauptthema des Eröffnungssatzes.

Orgelsonate Nr. 7 f-moll op. 127

Allein fünf Themen bestimmen den ersten Satz (Preludio) der 1881 geschriebenen Sonate, die sich in fast brahmschen Sinne harmonisch sehr mutig entwickeln. Das folgende Andante ist dreigeteilt: es kontrastiert einen langsam-lyrischen Beginn mit einem flotten, nicht unkomplizierten Mittelteil, während das Finale aus einer einleitenden Fantasie gefolgt von einer virtuos gesetzten Fuge besteht.

Orgelsonate Nr. 8 e-moll op. 132

Die 1882 verfasste Sonate Nr. 8 gehört zu den beliebtesten Orgelwerken Rheinbergers. Sie beginnt mit einer langsamen Einleitung gefolgt von einer Fuge, in die sich zweimal ein liebliches Thema im pianissimo einschaltet. Das folgende Intermezzo scheint in seiner Zartheit an das lyrische Klavierstück eines Reinecke angelehnt, der dritte Satz (Scherzoso) hingegen setzt das sinfonische Modell in einen Orgelsatz um. Eindeutiger Höhepunkt und vermutlich Hauptgrund für die Beliebtheit des Werks ist der letzte Satz (Passacaglia) in seiner barocken Grundform und den folgenden 24 Variationen.

Orgelsonate Nr. 9 b-moll op. 142

Die wiederum dreisätzige Sonate aus dem Jahr 1885 ist dem französischen Organisten und Komponisten Alexandre Guilmant gewidmet, der den letzten Satz der 8. Sonate in einem Kommentar als ´superbe` beschrieben hat. Sie beginnt mit einem Präludium bezeichneten Satz, in dem Rheinberger drei Themen von unterschiedlichem Charakter (eher herb, romantisch polyphon und liedhaft schlicht) sehr geschickt verbindet. Die folgende Romanze ist ebenfalls liedartig gesetzt, aber kontrastiert mit einem bewegteren Mittelteil, das Finale (Fantasie und Fuge) endet mit einer Reminiszenz an das Hauptthema des ersten Satzes.

Orgelsonate Nr. 10 h-moll op. 146

Nach den Ausflügen in romantischere Gefilde kehrt Rheinberger mit der 10. Sonate aus dem Jahr 1886 zu klassizistischen Formen zurück. Insbesondere Satz 1 (Präludium und Fuge) entspricht dieser Einschätzung, aber auch der zweite Satz (Thema mit Veränderungen) ist trotz seiner sieben Variationen eher einfach ´gestrickt`. Der Schlußsatz (Fantasie und Finale) bleibt trotz der farbigen Fantasie auch eher blass und ein wenig zu monoton.

Orgelsonate Nr. 11 d-moll op. 148

Eine der viersätzigen Sonaten, geschrieben 1887 mit stark sinfonischem Charakter. Der erste Satz mit seiner Bezeichnung Agitato erweist sich formal als klassischer Sonatensatz. Es folgt die berühmte Cantilene, ein schlichtes, leicht melancholisches Stück. Das anschließende Intermezzo führt harmonisch hinüber in den vierten Satz (Fuge), in dem wir im Rahmen eines nicht ganz strengen Fugenbaus Motiven aus den Sätzen 1 und 3 wiederbegegnen.

Orgelsonate Nr. 12 Des-Dur op. 154

Sonate 12 aus dem Jahr 1887 beginnt mit einem als Fantasie bezeichneten Satz, der mit einem Maestoso lento beginnt und in ein Allegro agitato übergeht. Es folgt eine zarte, aber keineswegs süßliche Pastorale, die abgelöst wird von einem dritten Satz (Introduktion und Fuge), der im einleitenden Lento in den ersten Takten mit einer spannenden Modulation von A-Dur nach Des-Dur aufwartet und schließlich – mit Beginn der Fuge – enharmonisch verwechselt zu cis-moll übergeht. Für Weyer ist diese Sonate ein ´ Wahres Juwel` (S. 67).

Orgelsonate Nr. 13 Es-Dur op. 161

Eine weitere viersätzige Sonate aus dem Jahr 1889, die mit einem Fantasie betitelten Satz beginnt, dessen Tempi mit Maestoso – Adagio Tempo I – Adagio molto angegeben sind. Erst nach einiger Zeit steigert sich die eher betuliche Stimmung mit Hilfe der für Rheinberger typischen farbigen Harmonik, das durchgehend gemächliche Tempo hingegen ändert sich nicht. Satz 2 (Canzone) bietet ein stimmungsvolles Allegretto, während das folgende Intermezzo – mit 58 Takten ungewöhnlich lang – in Largo-Tempo die abschließende Fuge vorbereitet, die zu den schönsten Fugen Rheinbergers gehört (Weyer S. 99f). Am Ende erklingt ein Zitat aus Satz 1.

Orgelsonate Nr. 14 C-Dur op. 165

Sonate 14 aus dem Jahr 1890 beginnt mit einem Präludium, dessen eröffnende rhythmische Figur motivisch auch die folgende Fuge bestimmt. Satz 2 (Idylle – Tempo: Andantino) ist dreiteilig mit einem leicht theatralischen Mittelteil. Der Schlußsatz (Toccata) steigert sich allmählich zu einem grandiosen Maestoso und schließlich einem dramatischen Höhepunkt.

Orgelsonate Nr. 15 D-Dur op. 168

Der erste Satz dieser 1891 entstandenen Sonate ist zweigeteilt: die Überschrift lautet: Fantasie. Es beginnt mit einem ausgedehnten, eigenständigen Andante amabile, auf das ein Agitato mit zwei kontrastierenden Themen folgt. Satz 2 (Adagio) wechselt zwischen ruhigen, fast choralartigen und erregteren Abschnitten. Auch in Satz 3 (Introduktion und Ricercare) spielen Kontraste eine wichtige Rolle, wobei unklar bleibt, aus welchem Grund Rheinberger dem zweiten Teil den archaisierenden Titel Ricercar gab.

Orgelsonate Nr. 16 gis-moll op. 175

Geschrieben 1883, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau, beginnt diese Sonate mit einem Allegro moderato, in dem drei Themen vorgestellt werden, deren choralartiges drittes im letzten Satz zitiert wird. Satz 2 macht schon in der Bezeichnung (Skandinavisch) deutlich, woher das musikalische Material stammt: dabei handelt es sich um zwei wehmütige, idyllische Stimmung verbreitende Melodien. Der abschließende Satz (Introduktion und Fuge) beginnt nach ausführlichem gis-moll in den beiden ersten Sätzen mit einem reizvollen E-Dur in der Introduktion, die finale Fuge jedoch steht wieder in der Haupttonart. Dieser Sonate gibt Weyer das Prädikat ´Wahres Juwel` (S. 67).

Orgelsonate Nr. 17 H-Dur

Mit diesem Werk aus dem Jahr 1894 erreichen wir nach Weyer (S. 116) das Ende der zentralen Gruppe in Rheinbergers Orgelsonaten-Schaffen, in gewisser Weise daran zu erkennen, dass das Finale zum letzten Mal von einer Fuge bestritten wird. Satz 1 (Fantasie) beginnt mit einem Moderato grave, nacheinander erscheinen drei Themen, die noch einmal mit einem lyrischen Motiv ergänzt werden – ganz im Sinne des Titels ´Phantasiesonate`. Das folgende Intermezzo ist ein Variationssatz zunächst im Tempo Molto andante, das in einen Adagio Schlussteil mündet. Satz 3 (Introduktion und Fuge) beschließt eine Reihe von insgesamt 13 Fugen in den Schlußsätzen.

Orgelsonate Nr. 18 A-Dur op. 188

Die erste der drei letzten fugenlosen Sonaten, 1897 geschrieben, viersätzig, beginnend mit einem Fantasie bezeichneten Satz, der Sonatensatz-Charakter besitzt. Es folgen auf diesen heiteren Beginn ein launiges Capriccio und ein Andante pastorale, schlicht Idylle genannt. Das Finale ist ein zweithematischer Sonatensatz, der zum Ende - wie schon häufig zuvor - auf Themen des ersten Satzes zurückgreift.

Orgelsonate Nr. 19 g-moll op. 193

Gegenüber der freundlich-hellen Sonate 18 stellt die 1899 vollendete g-moll-Sonate einen schon fast bedrückenden Gegensatz dar. Das beginnt im Präludium (Molto moderato, ma energico), setzt sich fort im Mittelteil des zweiten Satzes (Provencalisch), in dem Rheinberger ein Motiv des französischen Komponisten Guillaume de Machaut verarbeitet und löst sich auch im letzten Satz (Introduktion und Finale) nicht auf. Dennoch ist diese vorletzte Sonate durchweg ein bemerkenswertes Stück.

Orgelsonate Nr. 20 F-Dur op. 196

Der Untertitel dieser letzten Sonate aus dem Jahr 1901, der nur noch die unvollendete Missa a-moll op. 197 folgen sollte, lautet ´Zur Friedensfeier`, ohne weitere Erläuterung wohlgemerkt.  Die viersätzige Sonate beginnt mit einem ausführlichen Präludium (Lento maestoso), dem zwei gefühlsbetonte Sätze folgen. Zunächst ein hymnisch beginnendes Intermezzo (Adagio), darauf eine dreiteilige Pastorale (Andantino), ehe das Finale mit einer Menge Pathos aufwartet.

 

Sonstige Orgelwerke solo

10 Trios op. 49

Die 10 zwischen 1867 und 1870 komponierten kurzen Stücke sind hauptsächlich einstimmig melodiös gehalten, in Teilen eine Art ´Lieder ohne Worte` für die Orgel. Sie dienten in erster Linie pädagogischen Zwecken.

24 Fughetten op. 123

Auch diese den Quintenzirkel durchmessenden Stücke aus den Jahren 1883/4 dienen vorwiegend pädagogischen Zwecken, sind allerdings um einige Grade schwerer als die Trios op. 49.

12 Charakterstücke op. 156

Weyer vermutet, dass op. 156 aus dem Jahr 1888 wohl für die gottesdienstliche Praxis gedacht war (S. 154). Das mag so sein, aber de facto setzt Rheinberger in diesen kurzen Stücken lediglich die von der romantischen Klavierliteratur erfundene Form des Charakterstücks für die Orgel um. Titel wie Vision (Nr. 5), Klage (Nr. 9) oder Abendfriede (Nr. 10), um nur drei Beispiele zu nennen, sprechen eine deutliche Sprache.

12 Monologe op. 162

Ähnliches wie für op. 156 gilt auch für die Monologe aus dem Jahr 1890, wobei Rheinberger in diesem Fall auf charakterisierende Titel verzichtet. Stattdessen verwendet er für die Bezeichnung der Sätze zumeist einfache Tempobezeichnungen und so sind auch die einzelnen Stücke eher leicht gesetzt.

12 Meditationen op. 167

Der Untertitel dieses Werks aus dem Jahr 1891 lautet ´Orgelvorträge` und lässt darauf schliessen, dass op. 167 für konzertante Zwecke gedacht war. Vom Schwierigkeitsgrad und der Länge des einzelnen Stücks her knüpft diese Sammlung an op. 156 an. Zwischen einer Entrata (Nr. 1) und dem Finale (Nr. 12) finden sich Titel wie Canzonetta (Nr. 3) und Passacaglia (Nr. 10), aber auch schlichte Tempobezeichnungen wie (Agitato (Nr. 2) und Andantino (Nr. 4).

12 Miscellaneen op. 174

Wie der Titel schon sagt, besteht diese Sammlung aus dem Jahr 1893 aus zunächst einmal sehr unterschiedlich betitelten Stücken. Neben einer Überschrift wie Abendruhe (Nr. 10) stehen wieder einfache Tempoanweisungen wie Agitato (Nr. 5) oder auch Satzbezeichnungen wie Scherzoso (Nr. 2).  Daraus entsteht eine außerordentlich spannende musikalische Mischung, aus der sich ein steter Wechsel zwischen besinnlichen und zupackend-kraftvollen Momenten ergibt.   

12 Trios op. 189

Rheinbergers letztes Werk für Orgel (abgesehen von Six short pieces ohne Opuszahl) aus dem Jahr 1897, das in weiten Teilen an die Trios op. 49 erinnert, zugleich aber verdeutlicht, welche Entwicklung der Komponist in den vergangenen 30 Jahren genommen hat. Die Stücke klingen insgesamt farbiger, haben ´einen längeren Atem` (Weyer S. 178) und besitzen mehr kontrapunktische Finesse.

Diverse kleinere Stücke ohne Opuszahl führt Weyer auf (S. 182)

 

GEISTLICHE CHORMUSIK

Vorbemerkung

Im Rahmen seiner offiziellen 197 Opuszahlen hat Rheinberger mehr als 30 geistliche Chorwerke veröffentlicht (damit in etwa genauso viele wie weltliche Chorwerke oder Klaviermusik). darunter 14 Messe-Vertonungen, 3 Requien, 2 Stabat Mater, die beiden großformatigen Oratorien ´Christophorus` und ´Der Stern von Bethlehem` sowie zahlreiche Sammlungen von Hymnen und Motetten. Der Reigen beginnt mit einem Werk, das Rheinberger eigens im Jahr 1864 für den soeben als Chorleiter übernommenen ´Oratorien-Verein` komponierte

Stabat mater op. 16

Das Werk ist für drei Solisten, vierstimmigen Chor und kleines Orchester geschrieben. Es besteht aus fünf Sätzen, Eingangs- und Schlußchor mit gleichem thematischem Material, dazwischen ein Sopransolo und ein Tenor-Bass-Duett und im Mittelpunkt ein Ensemble für Chor und die drei Solisten.

Wie lieblich sind deine Wohnungen op. 35

Entstanden ist die Vertonung des 84. Psalms 1865 und wurde im Folgejahr zum ersten Mal öffentlich aufgeführt. Neben der Urfassung mit Harfe erstellte der Komponist auch eine Fassung für Orgel.

Fünf Motetten op. 40

Vier der fünf 1871 veröffentlichten Stücke stammen bereits aus dem Jahr 1864; analog op. 35 sind sie auf Psalmtexte gesetzt, in op. 40 überwiegen allerdings im Gegensatz zu op. 35 starke rhythmische, harmonische und dynamische Kontraste.

Passionsgesang op. 46

Dieses Werk für gemischten Chor und Orgel aus dem Jahr 1867 wird auch unter dem Namen ´Zur Feier der Karwoche` geführt. Es besticht durch seinen volksliedhaften Grundton verbunden mit einer wirkungsvoll differenzierten Harmonik.

Vier Hymnen op. 54

Ursprünglich für Orgel und Solostimme (Mezzosopran) geschrieben, existiert auch eine spätere Fassung mit Klavierbegleitung, die dem liturgischen Charakter trotz des lateinischen Textes eine eher weltliche Note verleiht.

Requiem b-moll op. 60

Rheinbergers erstes ausgedehntes geistliches Stück, das Weyer als imposantes Großwerk (S. 45) bezeichnet. Es entstand 1865, eine überarbeitete zweite Fassung. die Rheinberger den Toten des deutsch-französischen Krieges widmete, wurde Ende 1870 uraufgeführt. Das Werk ist hörbar inspiriert von den Requiem-Vertonungen Mozarts, insbesondere aber Cherubinis mit dem Chor als eindeutigem Hauptakteur. Es beeindruckt besonders durch seine vielfältigen, melodienreichen Chorsätze, die warme Instrumentierung und kunstvolle Polyphonie.

Requiem (Missa pro defunctis) Es-Dur op. 84

Die Komposition entstand im Sommer 1867, wahrscheinlich ausgelöst durch den tragischen Tod von Rheinbergers Schwester Elisabeth, wurde aber erst 1871 uraufgeführt. Das Stück ist a cappella gesetzt und auch wegen seines wesentlich konziseren Aufbaus nicht mit op. 60 vergleichbar, sollte aber, nicht nur wegen des Hinweises auf dem Titelblatt ´leicht ausführbar`, viel mehr Beachtung finden.

Drei lateinische Hymnen op. 96

Entstanden 1876, wobei Rheinberger bei einem Stück auf ein bereits 1856 geschriebenes Jugendwerk zurückgriff, sind diese drei Kompositionen für Frauenchor und Orgel kunstvoll ins 19. Jahrhundert übertragene, am Stil eines Carissimi orientierte Nachklänge.    

Fünf Hymnen op. 107

Besonderes Interesse innerhalb dieses Zyklus für vierstimmigen gemischten Chor aus dem Jahr 1877 verdient die Nr. 5 mit dem Titel ´Christus factus est` wegen der abschließenden, schwungvollen Fuge, die nach einem homophonen Beginn Bach`schen Geist aufscheinen lässt. 

Messe Es-Dur op. 109

Mit dieser 1878/9 entstandenen Messe für zwei vierstimmige Chöre a cappella wollte Rheinberger bei aller Betonung der Dur-Moll Tonalität hörbar an die Tradition der alten italienischen Kirchenkompositionen eines Palestrina oder di Lasso anknüpfen. Darauf deutet auch die Widmung des Werks an den soeben neu gewählten Papst Leo XIII. hin.

Missa brevis F-Dur op. 117

Nach eigener Angabe schrieb Rheinberger die Missa brevis (a cappella für gemischten Chor) am 24. und 25. April 1880 in nur fünf Stunden nieder. Die vermeintliche hohe Geschwindigkeit hat jedenfalls keine Auswirkung auf die Qualität der Komposition gehabt: für Theodor Kroyer, den ersten Rheinberger-Biografen, zählt die Messe ´zu den schönsten Eingebungen des Komponisten`, die noch dazu insofern eine Besonderheit aufweist, als alle Sätze von einem choralartigen Dreiklangsmotiv (z.T. in moll oder als Umkehrung) zusammengehalten werden.

Sechs Hymnen op. 118

Die Ausführung dieser Stücke überwiegend aus dem Jahr 1880, die ebenso wie diverse weitere ähnliche Kompositionen Rheinbergers seiner Berufung zum Hofkapellmeister und Leiter der königlichen Vokalkapelle im Jahre 1877 entspringen, ist sowohl chorisch als auch solistisch möglich. Mit einem Tagebucheintrag vom 5. Mai 1880 gibt Ehefrau Fanny einen Einblick auf die Entstehung des vierten Teils der Komposition ´Inclina Domine`: ´von 8 bis 9 Uhr abends beim Bier` heisst es dort, ein Hinweis auf die offensichtliche Leichtigkeit, mit der Rheinberger insbesondere die Musik verfasste, die er für seine tägliche Arbeit benötigte.

Christoforus op. 120

Dieses 1880 vollendete Werk auf einen Text von Ehefrau Fanny gehörte nach seiner Uraufführung im März 1882 zu Rheinbergers beliebtesten Stücken, was an der Zahl von 150 Aufführungen weltweit bis zu seinem Tod abzulesen ist. Danach geriet es wie diverse andere großformatige geistliche Kompositionen in Vergessenheit, wurde aber seit 2006, dem Jahr der der Wiederveröffentlichung durch den Carus-Verlag im Rahmen der Rheinberger-Gesamtausgabe, diverse Male im deutschsprachigen Raum aufgeführt.

Der Text basiert auf der Legende vom Riesen Christoforus, der nach langer vergeblicher Sinnsuche auf Anraten eines Eremiten zahlreiche Menschen durch die Fluten eines reißenden Flusses trägt, bis ihn eines Tages ein Kind ruft, das sich als das Jesuskind erweist. Unter größten Mühen schafft er das mit jedem Schritt schwerer werdende Kind, die Last der ganzen Welt ans andere Ufer zu tragen. Sein Lohn: der Einzug in den Himmel. Ähnlich wie im ´Stern von Bethlehem` erfüllt der Text, um es vorsichtig auszudrücken, nur selten hohe Ansprüche, Rheinbergers Musik hingegen kann auch heute noch überzeugen, ganz im Sinne Kretzschmars, für den Teile des Stücks ´zu dem Schönsten und Reichsten` des geistlichen Oratoriums des 19. Jahrhunderts gehören.

Messe A-Dur op. 126

1881 entstanden, hat Rheinberger diese Messe für Frauenchor und Orgel geschrieben, für die Uraufführung die Instrumentalbesetzung um Flöte und Streichquintett erweitert, bei weiteren Aufführungen jedoch auf die ursprüngliche Besetzung zurückgegriffen, die dem lyrischen Grundcharakter (besonders im ´Kyrie`) des Werks eher entspricht. 

Vier elegische Gesänge op. 128

Weniger liturgische Musik, sondern eher kirchliche Konzertmusik (schon allein wegen ihrer deutschen Texte) sind diese vier 1882 veröffentlichten Gesänge in Zusammenarbeit mit dem Tenor Heinrich Vohl entstanden, der Münchner Konzertbesuchern insbesondere durch seine Mitwirkung in Opern von Richard Wagner bekannt war.

Vier Motetten op. 133

Oster-Hymne op. 134

Beide Werke sind 1881 entstanden, Opus 134 für Doppelchor und von der zeitgenössischen Kritik hochgelobt (NZfM – 1884)

Stabat mater op. 138

´Leicht ausführbar` ist auf der Erstausgabe dieses Werks aus dem Jahr 1885 zu lesen und dieser Hinweis ist nachvollziehbar, abgesehen vielleicht von der Schlußfuge des vierten Teils, aber auch dieser Teil sollte einem Laienchor keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten. Mit dieser Komposition erfüllte Rheinberger ein Gelübde. Seit dem Beginn der siebziger Jahre litt Rheinberger an einem offenen Geschwür an seiner rechten Hand. Im Frühjahr 1884 gelobte er, ein „Stabat Mater“ zu komponieren, falls sich das Handleiden lindere. Als im Sommer Linderung eintrat, benützte er seinen traditionellen Sommerurlaub in Wildbad Kreuth zu dieser Komposition nach der Sequenz zum Fest der Sieben Schmerzen.

Fünf Hymnen op. 140

Die fünf Stücke für gemischten Chor und Orgel entstanden zwischen 1878 und 1883. Im fünften Teil ´Angelis suis` kommt überraschend zusätzlich ein Solo-Bariton zum Einsatz.

Messe G-Dur op. 151

Ein zu Lebzeiten Rheinbergers häufig und weit über München aufgeführtes Werk. Auch hier findet sich der Vermerk ´Leicht aufführbar`, was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass die Messe mit ihrer dichten, modulationsreichen Harmonik und fein abgestimmten Dynamik sowie mit gezielt eingesetzten rhythmischen Belebungen intensive und kontrastreiche Stimmungen erzeugt.

Messe Es-Dur op. 155

Messe f-moll op. 159

Beide Messen entstanden Ende der 1880er Jahre, beide mit Orgelbegleitung. Opus 155 schrieb Rheinberger für dreistimmigen Frauenchor, Opus 159 für gemischten Chor. Beide wurden von der zeitgenössischen Kritik positiv aufgenommen, insbesondere op. 159 erfreute sich großer Beliebtheit.

Fünf Motetten op. 163

Die fünf Stücke für fünfstimmigen Chor stammen aus unterschiedlichen Jahren, die gedruckte Fassung setzt sich wie folgt zusammen: Benedictus Dominus (1885), In Deo speravit cor meum (1890), Sederunt principes (1881), Confitebor tibi Domine (1885), Benedicta es tu (1885).

Der Stern von Bethlehem op. 164

Rheinberger hat dieses Oratorium – die Weihnachtsgeschichte in neun Bildern -- nie gehört. Es entstand im Jahr 1890 auf Texte seiner Frau Fanny, die während der Drucklegung des Werks schwer erkrankte und wenige Tage nach der am Heiligen Abend 1892 in der Kreuzkirche von Dresden gespielten Uraufführung verstarb. Rheinberger war von der Verbindung zwischen dem Tod seiner über alles geliebten Frau und der Entstehung dieses Werks so tief angefasst, dass er es für den Rest seines Lebens nicht anhören konnte, obwohl es landauf und landab mit großem Erfolg aufgeführt wurde. Die neun Bilder haben folgende Titel: 

  1. Erwartung: hier erklingt eines der Hauptmotive des Werks mit der Tonfolge e -fis- a- e,
  2. Die Hirten: eine Pastorale, in der Chor und Solo-Sopran alternieren,
  3. Erscheinung des Engels: ein hymnisches Solo für den Sopran, das der Chor mit einem kraftvollen Halleluja beantwortet; das Hauptmotiv des Beginns erklingt wieder
  4. Bethlehem: ein Bariton-Solo erzählt von der Ankunft der Hirten
  5. Die Hirten an der Krippe: der Chor huldigt dem Jesuskind
  6. Der Stern: Chor, die Weisen eilen hörbar herbei
  7. Anbetung der Weisen: reiner Männerchor, der seine Herkunft aus den weltlichen Kompositionen für ähnliche Ensembles nicht verleugnen kann
  8. Maria: ein Sopran-Solo beschreibt Maria an der Krippe ihres Sohns
  9. Erfüllung: das Hauptmotiv erscheint noch einmal, die Komposition abrundend; eine Fuge beendet das Werk, das zuvor auch in den Chorpassagen fast ausschließlich homophon gesetzt war

Auch wenn der Text nicht wirklich literarischen Rang besitzt (ein Beobachter spricht von ungefeilter, zuweilen einfältiger Sprache), die Musik besitzt von wenigen Momenten abgesehen große Geschlossenheit und Kraft, machtvolle Chöre bestimmen das Bild in diesem im besten Sinne „romantischen“ Werk Rheinbergers, wobei er dabei jedoch immer wieder seine satztechnische, an klassischen Vorbildern geschulte Meisterschaft durchscheint.

Marianische Hymnen op. 171

Rheinbergers letztes geistliches Werk für reine Frauenstimmen vom Solo bis zum Terzett aus den Jahren 1889 bis 1992. Es existieren Fassungen mit Klavier- und Orgelbegleitung.

Messe B-Dur op. 172

Die erste der beiden Messen Rheinbergers für reinen Männerchor aus dem Jahr 1892. Auch hier existieren zwei Fassungen: eine mit Orgelbegleitung, eine mit Blasorchester.

Neun Advent-Motetten op. 176

Die neun Stücke aus dem Jahr 1893 sollen der Liturgie an den vier Adventssonntagen dienen, neun kurz gefasste Stücke von großer Eindringlichkeit.

Messe g-moll op. 187

Eine Komposition für Frauenchor, zwei Sopran- und eine Altstimme mit Orgelbegleitung. Während der Komposition erfuhr Rheinberger, dass Johannes Brahms gestorben war und widmete ihm die Messe.

Messe F-Dur op. 190

Die zweite reine Männerchor-Messe Rheinbergers aus dem Jahr 1898, in diesem Fall ausschließlich mit Orgelbegleitung.

Messe E-Dur op. 192

Vollendet 1899 mit dem Gloria, während das abschliessende Agnus Dei bereits aus dem Jahr 1856 stammt, ist diese Messe Rheinbergers letzte vollendete Messe.

Requiem d-moll op. 194

Sein letztes vollendetes geistliches Werk schrieb Rheinberger im Frühjahr 1900, gesetzt für vierstimmigen Chor mit Orgelbegleitung. Auch hier – wie in op. 84 wird das Dies irae durch ein kurzes Absolve Domine ersetzt.

Messe a-moll op. 197

Rheinbergers allerletztes Werk blieb unvollendet: die Komposition bricht im Credo ab an der Stelle, an der von Tod und Auferstehung die Rede ist. Etwaige Aufnahmen greifen zur Vervollständigung auf die von Rheinbergers Schüler Louis Adolph Coerne komponierten Teile zurücjk (Sanctus, Benedictus, Agnus Dei).


KLAVIER SOLO

Bei der Betrachtung von Rheinbergers Werken für Solo-Klavier (incl. der vierhändigen Werke) gehe ich chronologisch vor, auch wenn einige Frühwerke (oder Teile davon) erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht wurden.

Vier Klavierstücke op. 1

Vier gleichförmige Stücke (Scherzi) aus dem Jahr 1858, die naturgemäß wenig Kontrast bieten (Theill spricht von einer ´Dissertation`), am ehesten gefällt Nr. 4, ein Andantino A-Dur.

Toccata e-moll op. 104

Ursprünglich geschrieben 1859, überarbeitet – insbesondere die Coda – und veröffentlicht 1877. Die beiden Akkorde zu Beginn wecken große Hoffnung, aber die eher akademisch anmutende Thematik des Stücks enttäuscht ein wenig, in Teilen aber kündigen sich bereits die gelungenen späteren Werke dieser Art an.

Thema mit 37 Veränderungen op. 61

Dieses Werk entstand ursprünglich 1861 mit insgesamt 50 Variationen. Als es 1872 veröffentlicht wurde, hatte Rheinberger einige Kürzungen und Änderungen vorgenommen, die jedoch die Substanz des Stücks nicht wesentlich beeinflussten. Es gibt einige beeindruckende Passagen im op. 61  – insbesondere die introvertierteren Teile, insgesamt aber fehlt es an kompositorischer Stringenz und Phantasie,  wirkt vieles hausbacken.

Variationen über Motive aus der Zauberflöte op. 51

Wahrscheinlich 1860 entstanden, steht im Zentrum dieser Variationen Paminas Arie ´Ach ich fühl`s`, interessanterweise vom Orchesternachspiel her aufgezäumt und ergänzt durch weitere Motive aus der Oper (z.B. Gesang der drei Knaben, Priesterchoral, Ouvertüre).

Zwischenbemerkung

Anfang der sechziger Jahre komponierte Rheinberger drei grossformatige Werke für Klavier:

  1. 24 Charakteristische Fugen (1861/2)
  2. Sinfonische Sonate C-Dur (1864)
  3. 12 Charakterstücke für`s ´neue` Klavier (1864)

Von diesen drei Werken wurde lediglich die Sonate als op. 47 veröffentlicht, die beiden anderen Kompositionen verteilte Rheinberger vermischt auf diverse Opuszahlen, ich werde darauf bei den fraglichen Zusammenstellungen eingehen.

Drei kleine Konzertstücke op. 5

Die drei Stücke (Die Jagd, Toccatina und Fuge) wurden 1862 (Nr. 3 als Teil der Charakteristischen Fugen) und 1864 komponiert. Für ´Die Jagd` schreib Rheinberger ein Allegrissimo vor, dem später noch ein Accellerando hinzugefügt wurde, ein wahrer Parforce-Ritt. Dagegen fließt die folgende Toccatina ganz ruhig dahin, während die abschließende Fuge (Weyer gibt ihr zurecht das Prädikat ´brilliant`) im Presto-Tempo steht.

Drei Studien op. 6

Die drei Stücke (Idylle, Wiegenlied mit Veränderungen, Impromptu) stammen aus dem Jahr 1867. Die ´Idylle` ist von bürgerlicher Gemütlichkeit, der Variationssatz gehört zu Rheinbergers gelungeneren Werken dieser Art (Theill S. 127) und das abschließende Stück erinnert stark an Chopin.

Drei Charakterstücke op. 7

Schon 1866 entstand op. 7, bestehend aus Ballade, Barcarole und Ernster Tanz, ein im Vergleich zu den Vorgängern eher spröde Zusammenstellung ohne deren melodischem Charm, ausgenommen der Mittelteil der Barcarole.

Waldmärchen op. 8

´Was sich der Wald erzählt` lautet der Untertitel dieser Konzertskizze, die in zwei Versionen vorliegt: ursprünglich 1866 geschrieben, veröffentlichte Rheinberger 1897 eine zweite Version mit einem veränderten Schluß. Die Komposition ist Teil von Rheinbergers kurzem Flirt mit programmatischer Musik (in diese Zeit fällt z.B. auch die ´Wallenstein`-Sinfonie), ehe er sich für den langen Rest seiner Laufbahn wieder der ´reinen` absoluten Musik verschrieb.   

Fünf Vortragsstudien op. 9

Titel: Fugato - 1862, Melodie, Wanderlied, Träumen – alle 1864 und ehemals Teil der Charakterstücke für`s ´neue` Klavier sowie ´Aus alter Zeit` - 1857). Das einleitende Fugato wiederum stammt in seinem Hauptteil aus den Charakteristischen Fugen und bildet thematisch eine Vorstufe zum Präludium und Fuge op. 33 (s.u.). Die folgenden Stücke kann man als Salonstücke bezeichnen (Melodie kurz und sentimental, Wanderlied flott, Träumen ruhig und zart. Das letzte Stück ist ein Menuett, dem Rheinberger bei aller Freude an der barocken Form mehr romantisches Flair verleiht als den ähnlichen Stücken in op. 1.

Fünf Tonbilder op. 11

Titel: Rundgesang - 1864, Mazurek - 1866, Reigen, Allegretto capriccioso, Elegie – alle 1864. Die Titel 1, 3 und 5 stammen aus den Charakterstücken für`s ´neue` Klavier. Theill bezeichnet op. 11 nicht zu Unrecht als Zwillingswerk zu op. 9, obwohl schon der Titel verrät, dass sich im neuen Werk keine barocken, archaischen Anspielungen finden. Den Rundgesang benutzt Rheinberger noch einmal in transponierter Form als Trinklied in seiner Oper ´Türmers Töchterlein`. Der Reigen ersetzt das Menuett, die Elegie knüpft an die Melodie an, das Allegretto ans Wanderlied, die Masurek ist ein eindringliches, fast elegisches Stück.  Trotz mancher Schwächen ein absolut hörenswertes Werk. 

Tokkata op. 12

Geschrieben 1865 ist die Toccata Hans von Bülow gewidmet, der in einem Dankschreiben von ´Scarlatti im frischesten Gewande, von Scarlatti, der Bach und Beethoven erlebt hat` sprach. Und tatsächlich ist diese Komposition, die Weyer zu Rheinbergers Werken ´von vollendeter Schönheit` (S. 40) zählt, von einer beeindruckenden Vielschichtigkeit: nach einem ausgedehnten Präludium entwickelt sich ein fugenartiges Gebilde, das für Theill eher einer riesigen Durchführung gleicht (S. 118), in der Rheinberger ´nach Lust und Laune` mit diesem Teil des Sonatenhauptsatzes und seinen Möglichkeiten spielt.

Tarantella für 2 Klaviere op. 13

Ein effektvolles, virtuoses Stück aus dem Jahr 1867, das Rheinberger häufig gemeinsam mit seiner Frau Fanny gespielt hat. Kurz vor dem Ende klingt ein Zitat aus dem Trauermarsch von Chopins b-moll-Sonate op. 35 an.

24 Präludien op 14

Die meisten der 24 Stücke sind Originale aus dem Jahr 1867; zwei (H- und Des-Dur) gehörten ursprünglich zu den Charakteristischen Studien, zwei weitere (e-moll und D-Dur) sind als Einzelstücke ebenfalls früher entstanden. Gedacht waren die Präludien als Unterrichtsstoff für die gerade eröffnete Königliche Musikschule München, zu deren Lehrern Rheinberger von Beginn an gehörte. Analog Chopins Préludes op. 28 durchmessen die einzelnen Teile alle Tonarten des Quintenzirkels, geordnet nach Terzverwandschaften, ohne aber kompositorisch auch nur annähernd den Geniestreich des Polen zu erreichen. Rheinbergers Werk klingt zu großen Teilen eher schwerfällig und unausgeglichen (Theill S. 136) und sollte besser nicht als Gesamtwerk, sondern eher in Auszügen gehört werden. Für Theill sind die stärksten Teile des Zyklus die Nummern 8, 9, 12-14, 17, 20 und 22.

Duo für 2 Klaviere a-moll op. 15

Zu seinen Lebzeiten Rheinbergers populärste Komposition, die um die Jahreswende 1867/8 entstand. Das Werk ist dreisätzig: Allegro alla breve, Canon a due: Adagietto, Finale: Molto vivo e brusco. Höchst beeindruckend im ersten Satz ist das integrative Nebeneinander von barocken, klassischen und romantischen Sequenzen, während der Canon ein inniges Zwiegespräch in gerade einmal 47 Takten präsentiert, das von lyrisch-schwärmerischer Melodik erfüllt ist und bei aller durch den Canon vorgegebenen formalen Strenge durch souverän gesetzte Harmonik glänzt. Das Finale stammt aus dem Jahr 1864 (wieder einmal die Charakterstücke), aber Rheinberger variiert den thematischen Fluss hin zu Zitaten aus Satz 1 und in geringerem Masse zu Satz 2, womit er dem Werk eine deutlich hörbare Geschlossenheit verleiht. Von besonderem Reiz ist das Satzende des Finales, das in seinem ´Verhauchen` ´einer der schönsten und originellsten Abschlüsse romantischer Klaviermusik überhaupt` ist (Theill S. 209)

Toccatina op. 19

Ein kurzes, hochvirtuoses Stück, gewidmet Carl Reinecke, der kurz vor der Entstehung 1867 die ´Wallenstein-Sinfonie` im Gewandhaus dirigiert hatte. Schon Hans von Bülow erkannte die hervorragende Eignung als Zugabe bei Klavierabenden.

Fantasiestücke op. 23

Dieses Werk aus dem Jahr 1866 wurde zu Lebzeiten Rheinbergers so gut wie gar nicht beachtet (woran sich bekanntermaßen nicht viel geändert hat), dabei kann die Komposition mit ähnlichen Werken von Zeitgenossen wie Liszt und Brahms durchaus mithalten. Erwähnenswert: in dem Sonatensatz zitiert Rheinberger am Ende der Durchführung die Eröffnungstakte des ´Tristan`.

Humoresken op. 28

Ein vierteiliges Werk aus dem Jahr 1869 mit drei Originalstücken und einer Übernahme aus den Charakteristischen Fugen, eine Paraphrase über eine Arie des Titelhelden ´Meta da voi qua vadano` aus Mozarts Don Giovanni. Friedrich Kiel, dem die Humoresken gewidmet sind, bezeichnet sie bei allem freundlichen Lob als ´Werkchen` - dem ist nichts hinzufügen. 

Aus Italien op. 29

1866/7 geschrieben handelt es sich nicht um Reiseimpressionen – wie der Titel und die Überschriften der drei Teile suggerieren könnten, dennoch sind Dolce far niente, Rimembranza und Serenata, die Rheinberger selbst als ´Ladenhüter` bezeichnet hat, stimmungsvolle Charakterstücke, denen der Komponist insofern einen einheitlichen Spannungsbogen gegeben hat, indem er sie jeweils im piano beginnen und enden lässt, während die Mittelteile sich teilweise zu einem fortissimo entwickeln.

Präludium und Fuge op. 33

Die H-Dur-Fuge gehört zu den 1861/2 geschriebenen Charakteristischen Fugen, wo sie den Schlußpunkt bilden sollte. Nachdem er 1862 ein h-moll-Präludium hinzugefügt hatte, arbeitete Rheinberger das Werk noch zweimal um, zuletzt 1869 und widmete es Anton Rubinstein. Es war eine der am meisten bewunderten Kompositionen Rheinbergers zu Lebzeiten, nach dem eher zarten Vorspiel entwickelt sich ein ´rauschendes Virtuosenstück mit brillianter romantischer Kadenz und Schluß-Stretta` (Theill S. 98), das noch dazu hörbar auf dem Finale von Beethovens Hammerklaviersonate fusst.

Sechs Tonstücke op. 39 und op. 68

Urvater beider Zusammenstellungen sind die Charakteristischen Fugen aus dem Jahr 1862, die in op. 39 in folgenden Tonarten stehen: d-moll, B-Dur, b-moll, Des-Dur (hier ist die Kompositionsjahr unbekannt) und c-moll. In op. 67 gilt folgende Reihenfolge: C-Dur (unbekannt), As-Dur (1861), f-moll, E-Dur, h-moll, D-Dur. Zeitgenossen sprachen von ´Modernisierung der strengen Form`, womit natürlich Bach gemeint ist und in ihrer Grundhaltung ähneln Rheinbergers Themen denen des großen Sachsen. Dennoch: in fast allen Stücken gelingt Rheinberger die Transposition der barocken Wurzeln in klassisch-romantische Regionen mit Anklängen an Mozart, Schubert und Chopin. 

Etüde und Fugato op. 42

Das a-moll-Fugato stammt ebenfalls aus den Charakteristischen Fugen, 1870 ergänzt mit einer Etude, deren Thema wie ein Leitmotiv nach der Reprise des Fugato wiederkehrt, fast unscheinbar, aber eine der originellsten Kompositionen Rheinbergers weil sie in virtuoser Leichtigkeit alle Stilarten von Barock bis Romantik verknüpft sogar bis hin zu frei tonalen Momenten.   

Capriccio giocoso op. 43

Einen merkwürdigen Titel hat Fanny Rheinberger diesem eher ruhigen, verträumten Stück aus dem Jahr 1870 gegeben. Fast unmittelbar denkt man als Hörer an Schubert, an seine Impromptus oder auch die Moments Musicaux und es ist durchaus möglich, dass es dieses Stück war, dass Brahms veranlasste, Rheinbergers Verwandschaft mit Schubert zu konstatieren.

Studien über ein Thema von Händel op. 45

Das Thema dieser Passacaglia aus dem Jahr 1870 stammt aus Händels Oratorium ´Alexander Balus`. Manchmal wird dieses Stück auch schlicht als ´Zwei Klaviervorträge` bezeichnet, die beiden Teile tragen die Titel Scherzoso und Capriccio.

Klaviersonate Nr. 1 C-Dur op. 47

Diese viersätzige Sonate (Allegro, Menuetto, Intermezzo: Largo molto und Finale alla Tarantella) entstand zwischen 1857 und 1864, wurde von Rheinberger nach ersten Aufführungen aber noch einmal umgearbeitet und endgültig 1871 veröffentlicht. Dabei änderte Rheinberger die ursprüngliche Bezeichnung ´Große Sonate`, die vermutlich eine Analogie zum Klaviertrio op. 34 herstellen sollte, ab in ´Sinfonische Sonate`, ein Hinweis auf den orchestralen Stil des Werks. Die Sonate ist ein hochvirtuoses Stück, das ´sich nicht eignet, prima vista von einem Clavierspieler vorgespielt zu werden`. So jedenfalls Rheinberger in einem Brief an seinen Verleger im November 1870. Satz 1 ist ein reinrassiger Sonatensatz mit zwei markanten kontrastierenden Themen. Im Menuett fällt das Trio mit seiner einfachen beschaulichen Melodik auf, während im folgenden Intermezzo eine eher melancholische Stimmung herrscht. Im Finale fühlt man sich unwillkürlich am Mendelssohn und seine Italienische Sinfonie erinnert.

Drei Klaviervorträge op. 53

Die hier zusammengefassten Stücke sind älteren Datums. Alle stehen in Molltonarten und klingen Chopin angenähert, ohne dass Rheinberger die Ausdruckskraft des Polen erreicht. Es beginnt mit einem bewegten Capriccio alla Tarantella (1864), es folgt eine Rhapsodie (wahrscheinlich 1863), in der der Komponist ein Lied aus seinem op. 26 als lyrischen Seitensatz verarbeitet und endet mit einem eleganten Rondoletto (1864). Auch diese Arbeit Rheinbergers wurde und wird leider kaum wahrgenommen.

Zum Abschied op. 59

Ein einfaches lyrisches Stück nach Art eines Lieds ohne Worte aus dem Jahr 1871, der Titel stammt von Fanny Rheinberger und bezieht sich wohl auf das Ende eines insgesamt achtwöchigen Urlaubs.

Drei Vortragsstudien op. 66

Wiederum drei Stücke aus unterschiedlichen Jahren, veröffentlicht 1873: Erinnerung (1871), eine Mixtur aus sanften und erregten Klängen. Das folgende Andante mit Variationen hat Rheinberger schon 1857 entworfen, seine endgültige Form aber erhielt es erst 1873, während das abschliessende Fugato Teil der 24 Charakteristischen Fugen war und nur leicht umgearbeitet den Schluß dieser Zusammenstellung bildet.  

Sechs charakteristische Stücke op. 67

Noch einmal greift Rheinberger auf die beiden Werke seiner frühen Jahre 1861 und 1864 zurück, an der zweiten und sechsten Stelle. Am Beginn steht ein sehr sanftes Stück mit dem Titel Abendfriede, dem an der fünften Stelle die komplementäre, ebenso sanfte Morgenhymne beigesellt wird, an zweiter Stelle der virtuoseste Teil unter den 12 Stücken fürs Neue Klavier, Titel: Ungeduld. Mit den Teilen drei und vier hat Rheinberger 1873 eiligst zwei vornehmlich verspielte Teile hinzugefügt: Romanze und Scherzoso. Den Schluss bildet die grandiose Eröffnungsfuge cis-moll aus den 24 Charakteristischen Fugen.   

Aus den Ferientagen op. 72

Rheinbergers erstes vierhändiges Werk verfasst 1873. Die vier Sätze sind sehr heterogen und der Titel – vorsichtig ausgedrückt – irreführend, denn von Ferienstimmung oder gar Fernweh kann allerhöchstens im ersten Stück die Rede sein. Dennoch besitzt der Zyklus, dessen Teile lediglich mit Tempoanweisungen bezeichnet sind, bei aller Unterschiedlichkeit der Einzelstücke eine beeindruckende Qualität.

Drei Klavierstücke op. 78

Gedruckt 1874 findet sich in diesem Zyklus lediglich ein neues Stück, ein freundlich-harmloses Scherzino, das am Anfang stehend auch als eine Art Präludium für die folgende fis-moll-Fuge dienen könnte, die ursprünglich den Schluß der 24 Charakteristischen Fugen bildete. Teil drei bildet eine bei Rheinberger besonders beliebte Form: das Menuett. Dieses hat er übernommen aus einem Jugendwerk, Streichquartett d-moll JWV 59.

Fantasie es-moll op. 79

Ein weiteres vierhändiges Werk aus dem Jahr 1874, das zunächst aufgrund seiner rhythmischen Monotonie trotz der Dreiteiligkeit mit Präludium, Intermezzo und Fuge leicht eintönig wirkt. Theill sieht eine mögliche Parallele zu Rheinbergers Oratorium ´Christophorus`, das in ebenfalls drei Schritten den Weg des ´Helden` von der Erde über die Hölle in den Himmel beschreibt. Bei genauem und mehrfachem Hinhören fallen in op. 79 die reichlichen thematischen Bezüge innerhalb der drei Teile ins Ohr, auch wenn der Titel am ehesten mit dem ersten Teil korrespondiert, während die Teile zwei und drei eher stringent-klassisch aufgebaut sind. Zwei Jahre später erarbeitete Rheinberger eine Version für Orchester, die durchaus eigenen Reiz besitzt.

Klaviersonate Nr. 2 Des-Dur op. 99

Ein dreisätziges Werk aus dem Jahr 1876, von Theill als ´Schulbuchsonate` bezeichnet (S. 167) aufgrund der Entwicklung der gesamten Sonate aus einer Grundidee, einem Tonleitermotiv im Bass, vorgestellt gleich zu Beginn. Der erste Satz, bezeichnet Non troppo mosso, entwickelt aus diesem Motiv einen geradezu vorbildlichen, formal sehr knapp gefassten Sonatensatz. Der Mittelsatz, eine Art Romanze (Andante espressivo) erweist sich als einfach strukturierter, aber wirkungsvolles Stück.  

Das virtuose Finale: Con fuoco ed espressivo greift thematisch auf die beiden vorangegangenen Sätze zurück: das Hauptthema erinnert an Satz 1, das Seitenthema an Satz 2.

Drei Vortragsstudien op. 101

Drei eigenständige, auch stilistisch unabhängige Stücke. Es beginnt mit einem Capriccio C-Dur (1875) in ausgelassener Stimmung, darauf ein als Etude bezeichnetes elegisches Stück (1877) und am Ende eine Toccatina Es-Dur, sozusagen die kleine Schwester der e-moll-Toccata op. 115 in der Verschmelzung barocker, klassischer und romantischer Stilelemente.

Pianofortestudien für die linke Hand allein op. 113

Ein Meisterwerk der einhändigen Klavierliteratur, bestehend aus zwei Teilen zu je drei Stücken, die 1878 und 1882 entstanden in der Folge von Rheinbergers Erkrankung der rechten Hand, die 1870 ausbrach und sich bis 1878 und den folgenden Jahren so sehr verschlimmerte, dass an normales Musizieren bis weit in 1880er Jahre überhaupt nicht zu denken war. Die einzelnen Stücke sind überschrieben: Teil 1: Capriccio, Menuetto und Fughetta, Teil 2: Masurek, Romanze und Gavotte. An manchen Stellen mag man als Hörer gar nicht glauben, dass der technisch-virtuose Anspruch dieser Komposition von einer Hand erfüllt werden kann. Schade, dass dieses Werk im Konzertsaal keine Rolle spielt.

Toccata c-moll op. 115

Die große Schwester des dritten Teils der Vortragsstudien op. 101, ein historisierendes Stück und dennoch so etwas wie ein Gesamtkunstwerk in der bereits oben beschriebenen Verschmelzung aller Stilentwicklungen der tonalen Dur-Moll-Epoche.

Klaviersonate zu vier Händen c-moll op. 122

Eine wahrhaft große Sonate aus dem Jahr 1881 in vier Sätzen. Sie setzt ein mit einem Allegro marcato in reiner Sonatenhauptsatzform mit einem kräftig auftrumpfenden ersten Thema und einem zweiten eher lyrischen Gedanken, der wesentliche Teile der Durchführung bestimmt, aber in der Reprise keine Rolle mehr spielt, dafür aber in der Coda erneut auftaucht. Das folgende Adagio entpuppt sich als Variationssatz in Gestalt eines dreiteiligen Charakterstücks mit einem schnellen Mittelteil. Das Menuetto fügte Rheinberger der ursprünglich dreisätzig geplanten Sonate einige Tage nach der Fertigstellung hinzu. Es ist thematisch eng verzahnt mit den übrigen Sätzen der Sonate und gehört im Trio zu den überzeugendsten Stücken Rheinbergers dieser Art. Den Schlußsatz bildet mit einer Tarantella ein etwas düsteres Stück, die im Gegensatz zur fast durchgehenden Leichtigkeit der übrigen Sätze steht. Für Theill ist op. 122 ein Meisterwerk, das allerdings weder von den Zeitgenossen (trotz des großen Lobs durch den Widmungsträger Carl Reinecke)


















und den heutigen Pianisten beachtet wurde und wird.

Klaviersonate Nr. 3 Es-Dur op. 135

Analog der vierhändigen Sonate op. 122 ist dieses Werk aus dem Jahr 1883 ebenfalls viersätzig angelegt, beginnend mit einem Moderato con espressione bezeichneten Sonatensatz, der durch die Eleganz und Anmut seiner Themen besticht. Ähnliches lässt sich sagen über die folgenden Sätze: Scherzo, Poco Adagio sowie Finale: Allegro. Hinsichtlich der reichen und prägnanten Themenvielfalt bildet diese Sonate (gemeinsam mit op. 122) den Gipfel in Rheinbergers Klavierschaffen. Bemerkenswert ist zudem die Selbstverständlichkeit, mit der der Komponist thematische Bezüge zwischen allen Sätzen herstellt und damit eine beachtliche Geschlossenheit erreicht. Verschwiegen werden aber soll in diesem Zusammenhang nicht, dass, beginnend bereits mit dem Klaviertrio op. 112 und dem Klavierquintett op. 114, auch die Sonate op. 135 selbst wohlwollende Beobachter von Rheinbergers Schaffen als ´hochliebenswürdig`, ´einfach und herzig` oder auch ´lieb und herzig` bezeichneten. Mir scheint diese Charakterisierung einseitig und zu hart, deshalb die dringende Empfehlung, sich mit Hilfe die leider nur spärlich vorhandenen Einspielungen ein eigenes Bild zu verschaffen.

Zwölf Charakterstücke in kanonischer Form op. 180  

Diese Stücke aus dem Jahr 1894, die Rheinberger nachträglich mit wenig aussagekräftigen Titeln versah, hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck: neben faszinierenden Teilen wie der Nr. 1 (Reigen) und den schönen, ruhig-besinnlichen Nr. 5 (Liebesduett) und 12 (Trauer) stehen herbe Kompositionen wie Nr. 7 (Dialog) oder nichtssagende wie Nr. 11 (Fröhliche Wanderung).

Zwölf Vortragsstudien op. 183

Ursprünglich wohl als Zwillingswerk zu op. 180 gedacht, denn sechs der zwölf Stücke aus dem Jahr 1895 sind ebenfalls in kanonischer Form verfasst und weisen Parallelen zu op. 180 auf (Details bei Theill S. 189). Diese sechs Stücke ergänzte Rheinberger mit sechs weiteren als Charakterstücke bezeichneten Kompositionen, analog früheren Klavier-Publikationen, die aus der Polarität ´Präludium und Fuge` bestanden. Dadurch überzeugt dieser Zyklus weit mehr als sein Vorgänger, ist farbiger und lebendiger. Besondere Aufmerksamkeit verdient Nr. 7 (Trauermarsch), Rheinbergers einziger, aber höchst gelungener Beitrag zu dieser im 19. Jahrhundert extrem beliebten Klaviergattung.

Klaviersonate Nr. 4 fis-moll op. 184

Die viersätzige Sonate aus dem Jahr 1886 trägt den Beinamen ´Romantische`, sie besticht in erster Linie durch den großartigen, sehr ausgedehnten Kopfsatz (Moderato), in dem das Seitenthema mit seiner schlichten Schönheit herausragt und große Teile des eher episodisch gebauten Satzes bestimmt. Im Gegensatz zur Eröffnung ist die folgende Romanze als Variationssatz angelegt, der ganz zart im ppp verklingt. Satz drei (Intermezzo) weckt Reminiszenzen an manch ähnlich strukturierte Sätze aus Rheinbergers Orgelsonaten mit einem an Chopin orientierten Mittelteil, während das Finale: Presto agitato die Stimmung des ersten Satzes aufgreift, ohne dessen thematische und formale Stringenz zu erreichen.


KAMMER 

Allein 12 der 15 Kammermusikwerke Rheinbergers (dabei bleiben die drei Stücke für Orgel und Klavier und Jugendwerke unberücksichtigt) sind für Klavier und Streicher bzw. Bläser geschrieben, ergänzt durch zwei Streichquartette und ein Streichquintett. Die Reihe dieser Kompositionen beginnt 1875 mit der

Violinsonate Nr. 1 Es-Dur op. 77

Dieses dreisätzige Stück (Allegro con fuoco, Adagio espressivo und Finale alla Tarantella) wurde angeregt durch die Begegnung des Komponisten mit den Violinsonaten seines Jugendidols Mozarts und es entstand in ungewöhnlich kurzer Zeit eine frisch-fröhliche Komposition, in der auch deutliche Anklänge an Beethoven zu hören sind, mit einem wunderbaren Mit- und liebevollen Gegeneinander der beiden beteiligten Solisten. Ganz ungewöhnlich für Rheinberger ist die unüberhörbare kompositorische Euphorie dieser Tage, die diese Sonate zu einem selten-schwungvollen Ereignis im Schaffen des Komponisten werden lässt.

Cellosonate C-Dur op. 92

Ebenfalls 1875 entstanden, ist die Cellosonate durchaus als kompositorisches Pendant zur 1. Violinsonate anzusehen, auch wenn sie im Charakter – damit ganz den Fähigkeiten des Cellos entsprechend – ruhiger und besinnlicher angelegt ist. Die drei Sätze lauten: Non troppo Allegro, Canzonetta: Andante und Finale: Vivo. Das lyrische Hauptthema des ersten Satzes gehört zu den schönsten melodischen Eingebungen Rheinbergers, der den ansonsten so ebenmäßigen Fluss dieses Satzes vor seinem Ende mit einer 24 Takte langen geheimnisvollen Passage des fast völligen musikalischen Stillstands unterbricht. Im Finale fällt zum Ende hin eine Passage auf, die sich mit einem Abschnitt aus Tschaikowskys Violinkonzert wortwörtlich deckt. Da eine irgendwie geartete Verbindung beider Komponisten nicht bekannt ist, darf man getrost unterstellen, dass es sich dabei um puren Zufall handelt oder – wie Theill meint – zwischen Rheinberger und Tschaikowsky eine Art Seelenverwandschaft bestand (S. 243)

Violinsonate Nr. 2 e-moll op. 105

Die 1877 entstandene Sonate klingt domestizierter als op. 77, es findet im wesentlichen ein kultivierter Dialog der Partner statt mit Anklängen an Mozart, Mendelssohn und Schumann. Im Finale erklingt ein drittes Thema, das fast schlagerhaft anmutet. Insgesamt ein schönes, formvollendetes Stück, dem aber – wie leider häufig bei Rheinberger – der ganz eigene, besondere Charakter fehlt.

Klarinettensonate es-moll op. 105a

In der 1893 veröffentlichten Bearbeitung der 2. Violinsonate ist der Klavierpart ohne Änderung aus dem op. 105 übernommen, beim Soloinstrument finden sich neben der Transposition minimale Änderungen, ohne die Substanz des Werks zu berühren.

Hornsonate Es-Dur op. 178

Durch die Wahl eines ungewöhnlichen Soloinstruments erfuhr dieses Stück größere posthume Aufmerksamkeit als die anderen Sonaten-Kompositionen Rheinbergers, obwohl das Werk eher harmlos-sympathisch an frühere Arbeiten wie das ´Waldmärchen op. 8` angelehnt ist, die den Hörer ´auf sonnige Höhen und den deutschen Hochwald` führen (Rheinbergers Freund Johnnie Mayer 1896 in einem Brief nach der Wiener Erstaufführung).

Klaviertrio Nr. 1 d-moll op. 34

Das Trio entstand 1862, wurde aber nach mehreren Umarbeitungen erst 1870 mit einer Widmung an Franz Lachner veröffentlicht. Schon in diesem frühen Werk zeigt sich Rheinbergers Neigung, dem Piano das Primat zuzuerkennen, selten nur bewegen die Streicher sich eigenständig, meist kann man zurecht von einem Dialog zwischen Klavier und ´Streichkörper` sprechen, ohne dass die Qualität der Komposition hörbar leidet. Umso seltsamer, dass op. 34 bei Rheinbergers Zeitgenossen sehr geringgeschätzt wurde, obwohl es ein ´expressives, frisches und jugendliches Stück` ist (Theill S. 253). An einer anderen Stelle spricht Theill sogar von einem ´Geniestreich`. Das Trio ist viersätzig, die Sätze 1 und 4 wurden von Rheinberger besonders stark umgearbeitet, während er an den Mittelsätzen lediglich kleine Korrekturen vornahm. Am Anfang steht ein ausgedehntes Allegro appassionato mit einem ersten kraftvollen Synkopen-Thema, dem ein lyrisches Seitenthema gegenübergestellt wird. Es folgt ein zweiteiligen Adagio espressivo: auf ein weiches romanzenartiges Thema folgt eine kurze beeindruckende Figur bezeichnet mit Piu mosso e feroce.  Das walzerartige Scherzo mit einem kaum kontrastierenden Trio erhält als Bezeichnung den Zusatz vivace, während das lebendige Finale all`ongarese: Allegro vivo benannt ist und von Beginn an mit seiner feurigen Stimmung überzeugt.

Klaviertrio Nr. 2 A-Dur op. 112

Bei diesem 1878 geschriebenen Trio entsteht auf den ersten Höreindruck ein durchgehend idyllisches Bild, doch bei näherem Hinhören vernimmt man einige rhythmisch und harmonisch raffiniertere Passagen und den hohen technischen Anspruch im Klavierpart. Die vier Sätze lauten: Allegro, Andante espressivo, Tempo di Minuetto und Finale: Allegro con fuoco. Der erste Satz besticht in seinem zweiten Thema mit einem hochromantisch-lyrischen Dialog zwischen Violine und Cello, das Tempo des Satzes – trotz der Allegro Markierung – ist von eher ruhiger Natur. Im Andante fällt die Ähnlichkeit mit einem berühmten Teil aus Griegs Peer-Gynt-Komposition auf (In der Halle des Bergkönigs). Satz 3 gehört für Theill zu den hübschesten Kammermusik-Sätzen Rheinbergers (S. 263) und lässt in seiner bewussten Gegenüberstellung von klassischem Hauptteil und spätromantisch angeregtem Trio zugleich einen Blick zu auf die Stellung des Komponisten gegenüber den modernen Tendenzen seiner Zeit. ´Ich habe die Entwicklung sehr wohl wahrgenommen, aber ich bleibe bei meinem Stil` scheint er mit diesem Satz sagen zu wollen. Das Finale beginnt mit einer Art Trompetenruf, an den sich das hymnische Hauptthema anschließt und den Satz nach einigen Leerstellen zu einem munteren Ende führt.   

Klaviertrio Nr. 3 B-Dur op. 121

Zu seinen Lebzeiten war dieses Trio vom Ende des Jahres 1880 das wohl populärste Trio Rheinbergers, das in ganz Europa und den USA aufgeführt wurde. Die Sätze sind bezeichnet Allegro amabile, Romanze: Andantino, Scherzo: Allegro und Finale: Con moto. Insbesondere die Ecksätze (Satz 1 in Sonatenform, das Finale als Rondo mit all`ongarese Anklängen) stecken bei aller inneren Dynamik voller attraktiver Melodien, aber ein besonderes Juwel ist Rheinberger mit der Romanze gelungen, die zu den reizvollsten Sätzen der romantischen Trioliteratur zählt. Nicht nur von Ferne wird man erinnert an Schubert – hier besonders an sein zweites Klaviertrio -, ein Eindruck, den schon Brahms ganz generell zu Rheinbergers Schaffen artikuliert hat. Und dann im Mittelteil des folgenden Scherzos finden sich auch thematische Anklänge an den Wahl-Wiener, also eher spätromantische Klänge. Das Werk weist eine Reihe von thematischen Innenbezügen auf, die dem Stück einen bemerkenswerten Zusammenhalt verleihen, auch wenn der nicht deutlich und plakativ, sondern eher subtil, fast unbewusst wirkt. Ein zu Unrecht vernachlässigtes Stück, sehr schade, dass es im heutigen Konzertsaal keinen Platz hat.

Klaviertrio Nr. 4 F-Dur op. 191

Eines der letzten Werke Rheinbergers aus dem Jahr 1898, das eindeutig kompositorische Rückschau hält und in weiten Teilen wie vor dem Jahr 1830 entstanden klingt. Die Sätze lauten Moderato, Adagio molto, Tempo di Minuetto und Allegro moderato. Die beiden ersten Sätze besitzen einen regressiv-friedlichen Zauber, der mit der gewählten Tonart F-Dur zusammenhängen kann, einer Tonart, in der neben vielen anderen Stücken auch das berühmte Abendlied aus dem Jahr 1855 und auch Rheinbergers letztes vollendetes Werk, die Orgelsonate Nr. 20 stehen, die den Untertitel ´Zur Friedensfeier` trägt. Mit der Tonart F-Dur, spekuliert Theill, könnte der Weg zum inneren Frieden mit sich selbst verbunden sein (S. 276). Rein musikalisch überzeugen die beiden ersten Sätze wegen der Kraft und Schönheit ihrer Themen, Satz 3 und 4 hingegen können dieses hohe Niveau nicht halten.

Klavierquartett Es-Dur op. 38

Geschrieben 1870, war das Quartett Rheinbergers beliebtestes Instrumentalwerk, das noch bis zum Beginn des 1. Weltkriegs regelmäßig auf den Konzertprogrammen stand. Danach verschwand es unerklärlicherweise komplett von der Bildfläche. Der ausgedehnte erste Satz (Allegro non troppo) verarbeitet drei Themen unterschiedlichen Charakters (nachdenklich, fröhlich, lyrisch), an manchen Stellen erhält der Klang fast die Fülle eines Kammerorchesters. Das folgende Adagio espressivo ist ein hochromantischer Variationssatz von großer Schönheit. Satz drei nennt Rheinberger zwar Menuetto, aber es bleibt angesichts seiner vibrierenden Rhythmen so gut wie nichts übrig vom damit implizierten klassischen Stil. Im Finale stellt Rheinberger zwei Themen vor, von denen er das dunklere zweite zu einer beeindruckenden Fuge formt. Ein weiteres Werk, das eine Wiederaufnahme in die Konzertprogramme verdient hätte.

Klavierquintett C-Dur op. 114

Auch eines der Stücke, mit denen manche Zeitgenossen Rheinbergers die Vokabeln ´lieb und herzig` verbunden haben. 1878 entstanden, sind die Sätze kurz und bündig bezeichnet: Allegro, Adagio, Scherzo und Finale: Allegro. Satz 1 ist ein geradezu hochklassischer Sonatensatz, in dem die beiden Protagonisten (Klavier und Streicher) sich gegenseitig viel Raum lassen für freundschaftlich-distanzierten Austausch. Das folgende Adagio wird melodisch dominiert von den Streichern und versinkt am Ende in ein sublimes Piano. Für Theill gehört das Scherzo zu den gelungensten Kompositionen Rheinbergers (S. 290), in der die Streicher die Hauptrolle übernehmen, während dem Klavier lediglich eine begleitende Funktion bleibt. Im Finale kommt dem Cello insofern eine besondere Rolle zu, als es alle Motive solistisch einleitet. 

Klaviersextett F-Dur op. 191b

Dieses Opus ist eine Umarbeitung des vierten Klaviertrios für Klavier und fünf Bläser (Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn) aus dem Jahr 1899 und zugleich das letzte Kammermusikwerk Rheinbergers.

Streichquartett Nr. 1 c-moll op. 89

Das 1875 geschriebene Werk beginnt mit einem Allegro non troppo, das quasi ´misterioso` einsetzt, aber im Verlauf des Satzes eher tänzerischen Charakter gewinnt. Es folgt der langsame Satz, überschrieben Adagio espressivo, mit einem elegischen Hauptthema, das ergänzt wird durch intermezzoartige Anklänge aus Satz 1. Das anschliessende Scherzo ist überraschend ausgedehnt, wobei Hauptsatz und Trio rhythmisch und melodisch angenähert sind. Das Finale: Allegretto ist wie das Scherzo thematisch stark rhythmisch bestimmt.

Streichquartett Nr. 2 F-Dur op. 147

Die vier Sätze des Quartetts aus dem Jahr 1886 lauten: Allegretto, Adagio, Tempo di Menuetto und Introduction und Fuge. Auf den ansprechend beschwingten ersten Satz folgt ein zaghaft versponnenes Adagio, das nur in einer kurzen Passage in der Mitte des Satzes von der Violine aus seiner lethargischen Stimmung befreit wird. Das Hauptthema des dritten Satzes ruft mit seinem fröhlichen Schwung die Stimmung des Allegrettos zurück. Das Finale beginnt mit kraftvollen Akkorden und entfernten Reminiszensen an die ersten drei Sätze, ehe eine auf der Verdoppelung des Kuckucksrufs basierende Fuge einsetzt, die mit ihrer satztechnischen Perfektion zu Rheinbergers besten Kammermusik-Sätzen gehört.

Streichquintett a-moll op. 82

Rheinbergers 1874 entstandene Komposition gehört zu den überzeugenden Werken in diesem insgesamt stiefmütterlich behandelten Genre. Die vier Sätze sind überschrieben: Allegro, Adagio molto, Scherzo: Vivace und Finale: Rhapsodie. Satz 1 stellt in der Sonatenform zwei stark kontrastierende Themen vor: Thema 1 flott und stark rhythmisch bestimmt, Thema 2 lyrisch und ruhiger. In Satz 2 wird der lyrische Fluss des Hauptthemas in der dreiteiligen Liedform kurz unterbrochen von einem kraftvollen, leidenschaftlichen Intermezzo, während das Scherzo wiederum von einem tänzerisch-rhythmisch geprägt wird, dem ein lyrisches Trio gegenübergestellt ist. Im leicht ungarisch gefärbten Finale erklingen zwei feurig-dynamische Themen, in deren Verarbeitung Rheinberger seine ganze Meisterschaft zeigt.  

Thema mit Veränderungen für Streichquartett g-moll op. 93

1876 geschrieben, gehört dieses einsätzige Werk in Form einer Passacaglia mit 50 Variationen zu Rheinbergers beeindruckendsten Kompositionen. Das zu Beginn vom Cello eingeführte Thema – wer kompositorische Analogien liebt, könnte eine leichte Ähnlichkeit zum Beatles-Song ´All my loving` feststellen - wird nach allen Regeln der Variationskunst verarbeitet und stellt fast so etwas wie ein Kompendium der musikalischen Modifikationsmöglichkeiten dar. Unverständlich, dass es im Konzert nicht zu hören ist.

Nonett Es-Dur op. 139

Rheinbergers Beitrag zu einer erstmals von Ludwig Spohr gewählten Besetzung in einem  Kammermusikstück aus dem Jahr 1884, zu dem in der musikalischen Romantik neben den beiden genannten noch Franz Lachner, Louise Farrenc und George Onslow besetzungsgleiche Stücke geschrieben haben. Rheinbergers Komposition besteht aus vier Sätzen: Allegro, Menuett, Adagio molto und Finale: Allegro. Im ersten Satz berührt besonders das zweite, von der Oboe eingeführte zweite Thema, während das von den Bläsern vorgestellte Hauptthema – nach einigen einleitenden Streicher-Takten – hörbar Beethoven nachempfunden ist. Das folgende Menuett (eben kein Scherzo)  entspricht genau seiner Bezeichnung: es ist ein Satz ganz ´im alten Stil`, der in manchen Passagen auf Haydn und Mozart zurückgeht, im Trio allerdings erscheint eine nostalgisch verklärte romantische Passage. Der folgende langsame Satz wirkt wie das Zentrum des Werks mit seinem ruhigen, leicht erhaben anmutenden dolce-C-Dur-Thema des Beginns, das zweimal in eine erregtere Passage in Es-Dur mündet, aber jeweils wieder in die Stimmung des Anfangs zurückfindet. Es folgt ein schwungvolles, unbeschwert-heiteres Finale, in dem die Themen kaum verarbeitet, sondern im Sinne der Serenadentradition durch den Wechsel auf die verschiedenen Instrumente klanglich neu beleuchtet werden.

Kurze Ergänzung: das Oktett Es-Dur JWV 132, ein Jugendwerk aus dem Jahr 1862, das in einer Aufnahme von Mitgliedern des RSO Berlin vorliegt, diente als Basis für das Nonett, das Rheinberger stark umarbeitete und zudem mit zwei komplett neuen Sätzen versah.

Suite für Orgel Violine und Cello op. 149

Die drei Spätwerke für Streicher mit Orgelbegleitung beginnen im Jahre 1887 mit einer beeindruckenden viersätzigen Suite. Die Sätze lauten: Con moto, Thema mit Veränderungen, Sarabande und Finale; sie gewinnen an vielen Stellen hörbar sinfonischen Charakter und so ist es nicht verwunderlich, dass Rheinberger für dieses Werk auch eine Version mit zusätzlichem Streichorchester verfasste, die leider bisher nicht eingespielt wurde. Stattdessen existiert eine Version für zwei Trompeten und Orgel, Interessierte aber sollten sich an den vorhandenen Originalfassungen orientieren. Besonders beeindruckend die Aufnahme mit Christopher Herrick an der Orgel.

Sechs Stücke für Violine und Orgel op. 150

Über die Reihenfolge der sechs Stücke aus dem Jahr 1887 scheint Uneinigkeit zu bestehen, obwohl die Erstausgabe bei Forberg eindeutig ist: Thema mit Veränderungen, Abendlied, Gigue, Pastorale, Elegie und Ouvertüre lauten dort die Satzbezeichnungen. An diese Reihenfolge hält sich keine der drei mir bekannten Einspielungen, was insofern nachvollziehbar ist, als die einzelnen Teile keinen inneren thematischen oder tonalen Zusammenhang besitzen. Die vier Mittelteile sind im besten Sinne ´Charakterstücke` - von besonderem melodischen Reiz Elegie und Pastorale -, während das Thema mit Veränderungen und die Ouvertüre Rheinbergers Fähigkeit zur Synthese barocker und romantischer Stilelemente noch einmal deutlich werden lassen.  

Suite für Violine und Orgel op. 166

Das letzte der drei ´Kammermusikwerke` mit Orgel, bestehend aus vier recht kurzen Sätzen, bezeichnet mit Präludium, Canzone, Allemande sowie Moto perpetuo. Auch hier besticht die Mischung aus barocken Formen und romantischer Harmonik, insbesondere in den ersten drei Teilen, während im Moto-perpetuo-Abschluss ein bei Rheinberger selten anzutreffender Hang zur Virtuosität aufscheint.

Nachbemerkung zu den op. 149, 150 u. 166

Das generelle Problem dieser drei als Kammermusik bezeichneten Werke liegt sicher in der Besetzung mit Orgel, deren Klangfülle eher mit dem ausgedehnten Raum einer Kirche kongruiert und insofern ist eine Live-Aufführung dieser Stücke schwer realisierbar. Aber die ´Studioaufnahmen` - naturgemäss in Kirchen eingespielt – können dieses Problem durch eine geschickte Klangbalance zumeist ausgleichen. 

 

WELTLICHE LIEDER für SOLOSTIMME und CHOR

Im Rahmen seiner 197 Opuszahlen hat Rheinberger elf Liedsammlungen mit insgesamt 100 Sololiedern veröffentlicht, deren Entstehung sich relativ gleichmässig über seine Karriere verteilt. Es beginnt um 1860 mit den 7 Liedern op. 3 und 5 Liedern op. 4 und endet mit den Zyklen Aus verborgnem Tal op. 136 (1883) und Am Seegestade op. 158 (1889), beide auf Gedichte von Rheinbergers Ehefrau Fanny. Zwischen diesen beiden Sammlungen erschien eines von Rheinbergers Herzensprojekten, das 30teilige Liederbuch für Kinder op. 152 (1887). Von grösserem Interesse scheinen mir weiterhin der acht Lieder umfassende Zyklus Liebesleben op. 55 (veröffentlicht 1871, Entstehung zwischen 1859 und 1871) sowie die die Drei Gesänge op. 129 nach Texten altitalienischer Dichter zu sein.

Neben den Sololiedern stehen – unter Kennern ein Geheimtip -  etwa 230 weltliche Chorwerke sowohl für gemischten Chor, als auch für reinen Frauen-, insbesondere jedoch für Männerchor. Diese Stücke sind gesetzt mit unterschiedlichster Begleitung, von a cappella reicht die Skala über Klavier, Klavierquartett, Bläser bis hin zur Orchesterbegleitung. Viele der Stücke sind leichte, im Volkston gehaltene Kompositionen, aber es finden sich auch harmonisch sehr reizvolle Werke, nicht zuletzt das bekannte Abendlied op. 69 Nr. 3 oder z.B. die Lieder Waldesgruß op. 2 Nr. 5 und das op. 170 Nr. 5 mit dem Titel ´Dennoch singt die Nachtigall`. Neben diesen Einzel-Chorliedern lohnt sich eine Begegnung besonders mit einigen der Chorballaden Rheinbergers wie ´Die Wasserfee op. 21, Lockung op. 25`, ´Die Nacht op. 56` nach einem Gedicht von Eichendorff und last not least ´Das Tal des Espingo op. 50`. Letzteres Werk gehörte zu Lebzeiten Rheinbergers zu seinen beliebtesten Werken (näheres bei den Orchesterwerken).  

Diskografischer Hinweis: Holger Speck hat mit dem Vokalensemble Rastatt eine Auswahl der schönsten Chorlieder eingespielt.


ORCHESTER

Wallenstein – Sinfonisches Tongemälde d-moll op. 10

Dieses frühe Werk Rheinbergers gehört nicht zuletzt infolge seines Entstehungsjahres 1866 zu der vermeintlich ´toten Zeit` der Sinfonik wie Dahlhaus das Vierteljahrhundert zwischen 1850 (Schumann: Sinfonie Nr.3) und 1876 (Brahms: Sinfonie Nr. 1) genannt hat. Die Sinfonie – das Werk kann als reine klassische Sinfonie (Viersätzigkeit mit folgenden Bezeichnungen: Allegro (Vorspiel), Andante (Thekla), Scherzo (Wallensteins Lager), Finale (Wallensteins Tod)) betrachtet werden, aber auch als eine Hommage an die aufkommende Programm-Sinfonik eines Liszt oder Berlioz – wurde im November 1866 in München uraufgeführt und bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts regelmässig in deutschen Konzertsälen gespielt. Insbesondere der dritte Satz  (mit der Schillerschen Kapuzinerpredigt als Trio) war sehr beliebt und wurde sogar separat gedruckt. Die Zeitgenossen haben die Komposition aufgrund ihrer Stellung zwischen den beiden genannten Polen teilweise kritisch betrachtet, zurückzuführen auch auf die Themenvielfalt der einzelnen Sätze, die die klassische Sinfonie konterkarieren. Dennoch wäre es wünschenswert, dieses Werk häufiger im Konzertsaal zu hören, bevorzugt von einem erstklassigen Orchester.

Ouvertüre zu Shakespeares ´Die Zähmung der Widerspenstigen` op. 18

Geschrieben bereits 1866, kam diese Ouvertüre drei Jahre später unter der Leitung von Hans von Bülow, der das Werk in einem Brief an Rheinberger als ´überaus originell, charakteristisch, geistvoll` bezeichnete, als Einleitung zu einer Aufführung von Shakespeares Stück zu ihrer Premiere. Unverkennbar stand neben Beethovens Ouvertüren-Typus (langsame Einleitung, Allegro-Hauptsatz) Mozarts ´Zauberflöten-Ouvertüre` Pate in der Anlage dieses Stück, das Richard Strauss mehrmals dirigierte und ebenfalls sehr geschätzt haben soll.

Das Tal des Espingo op. 50

Nach einem Text von Paul Heyse schrieb Rheinberger 1869 diese Ballade für Männerchor und grosses Orchester, die vom Kampf der Basken gegen die Mauren erzählt. Letztere erreichen aus dem Schnee der Pyrenäen kommend ein liebliches Tal (Espingo), das sie an ihre Heimat erinnert, vergessen alle Vorsicht und nehmen ein Bad im See. Aus einem Hinterhalt tauchen die Basken auf und metzeln die waffen- und wehrlosen Mauren nieder. Dazu hat Rheinberger eine in grossen Teilen beeindruckend illustrative Musik geschrieben, z. B. beschreibt ein langer Ton der Violinen den Anblick des von der Sonne erleuchteten Tals oder es deuten die leise drohenden Töne des Orchesters im ´O Heimatwonne-Chor` der Mauren die kommende Katastrophe an. 

Fantasie für Orchester op. 79

Sh. Klavierwerke

Sinfonie F-Dur op. 87

Die Sinfonie trägt den Beinamen ´Florentiner`: Rheinberger begann die Komposition im Jahr 1874 während einer Italienreise, nachdem er in Florenz einen entsprechenden Kompositionsauftrag von der dortigen Societa Orchestrale erhalten hatte. Merkwürdigerweise hat dieses Werk trotz seiner unleugbaren Qualität, die formal an den mittleren Beethoven sowie – unvermeidlich – Mendelssohn und Schumann anknüpft, nach der Uraufführung kaum eine Rolle im Konzertleben gespielt. Zeitgenossen lobten besonders den zweiten Satz, das ´breite, reich gestaltete` Adagio, aber auch das einleitende Allegro con fuoco mit zwei stark kontrastierenden Themen sowie Menuetto und Finale tragen zum positiven Gesamteindruck bei. Dank an Alun Francis, der die Sinfonie mit der Nordwestdeutschen Philharmonie 1989 aufgenommen hat (leider etwas zu betulich und nicht zuletzt dadurch ohne nachhaltige Wirkung).    

Ouvertüre zu Schillers ´Demetrius` op. 110

Diese Ouvertüre zu Schillers Dramenfragment um den ´falschen Dimitri` aus dem Jahr 1857 entstand 1878 und ist eher als das frühe op. 18 als Konzert-Ouvertüre anzusehen. Thematisch ist das Werk geprägt von einem russischen Volkslied aus dem 17. Jahrhundert, steht aber in der klassischen Sonatenform mit langsamer Einleitung. Zeitgenossen, unter ihnen Carl Reinecke lobten das ´formvollendete, brilliant instrumentierte Werk`.

Hymnus an die Tonkunst op. 179

Als Auftragswerk für Männerchor und Blasorchester geschrieben zum 300jährigen Todestag Orlando di Lassos und 1894 anlässlich des entsprechenden Festaktes in München uraufgeführt. Rheinberger verzichtete bei Auftragswerken auf die Vergabe von Opuszahlen, in diesem Fall aber scheint er die kraftvolle Komposition sehr geschätzt zu haben, sie erschien 1895 sogar im Druck. 

Akademische Festouvertüre D-Dur op. 196

Anläßlich der Verleihung des Ehrendoktortitels durch die Universität München im Jahr 1899 schrieb Rheinberger sein op. 179, eines seiner letzten Werke überhaupt. Anders als Brahms, der sich aus demselben Anlass einen fröhlichen Spass erlaubte, folgte bei Rheinberger nach einer langsamen Einleitung eine Fuge mit sage und schreibe sechs Themen. Er selbst sprach ironisch von einer ´gelahrten` Arbeit, aber es ist nicht auszuschliessen, dass er noch einmal seine hohe kontrapunktische Kunst unter Beweis stellen wollte.

 

KONZERTE

Klavierkonzert As-Dur op. 94

Neben den beiden Orgelkonzerten ist das Klavierkonzert aus dem Jahr 1876 Rheinbergers einziges Solokonzert. Die Sätze lauten Moderato, Adagio patetico und Allegro energico. Das Konzert wurde bei seiner Uraufführung in München enthusiastisch aufgenommen und in fast allen Musikmetropolen Deutschlands unter großem Beifall vorgestellt, danach jedoch vollkommen vergessen. Der erste Satz ist gekennzeichnet durch eine im ständigen Dialog zwischen Orchester und Klavier verarbeitete Motivvielfalt, bei der man wie Theill drei Themen sowie drei weitere Motive ergänzt durch ein eigenes Kadenz-Motiv konstatieren kann. Klar herausgearbeitet sind zwei Themen: das erste stimmt das Klavier nach den Eröffnungsakkorden an, das zweite, lyrische erklingt nach geraumer Zeit im Dialog zwischen Orchester und Solist. Zuvor und danach arbeitet Rheinberger mit Motiv-Verkürzungen und - Abspaltungen, die den oben zitierten Eindruck der motivischen Vielschichtigkeit auslösen. Überraschend die kurze Zwiesprache zwischen Klavier und Orchester während der ausgedehnten, virtuosen Kadenz, die aber von der dialogischen Gesamtanlage des Satzes her absolut schlüssig erscheint. Der Mittelsatz wird vom Klavier eröffnet, das sich in der Vorstellung des Themas mit dem Orchester gleichberechtigt ergänzt. Im weiteren Verlauf des Satzes jedoch übernimmt das Orchester – begleitet von Skalen und Arpeggien des Solisten - die thematische Arbeit fast allein, dann aber erklingt das Thema ein zweites Mal im Klavier, eine bezaubernde Passage in einem wunderschönen Satz. Das Finale macht seiner Bezeichnung mit seinem fast durchweg energischen Tonfall alle Ehre, wenn auch leider mit wenig prägnanten thematischen Ideen. An dem etwas blutleeren Eindruck kann auch das Zitat der Eröffnung des ersten Satzes als musikalische Abrundung des Konzerts wenig ändern. Dennoch hat das Werk größere Aufmerksamkeit verdient.   

Orgelkonzert Nr. 1 F-Dur op. 137

Im Juni 1884 entstand dieses Konzert innerhalb von nur 17 Tagen, gesetzt für Orgel und Streichorchester, das von drei Hörnern ergänzt wird. Die Uraufführung fand noch im selben Jahr in Leipziger Paulskirche statt. Der erste Satz (Maestoso) basiert thematisch auf den drei einleitenden, kraftvollen Akkorden, aus denen sich eine festlich-strömende Stimmung entwickelt, zu der am Ende des Satzes auch die Hörner beitragen. Es folgt ein dreiteiliges Andante beginnend mit einem sehr schönen innigen, zarten ersten Teil, der am Ende wiederholt wird. Dazwischen steht ein markantes kunstvolles Fugato. Satz 3 (Con Moto) beginnt mit einem tänzerischen ersten Thema, das von einem schon fast hymnischen Gesang abgelöst wird. Das erste Thema bildet dann die Grundlage für die anschließende Fuge, auf die eine ausgedehnte Kadenz folgt. Den kurzen kraftvollen Tuttischluss bestimmt wieder das erste Thema. 

Orgelkonzert Nr. 2 g-moll op. 177

Komponiert in den Jahren 1893/4 ist das g-moll-Konzert, dessen Uraufführung am 14. Dezember 1894 von Richard Strauss geleitet wurde, zum einen sinfonischer angelegt als der Vorgänger (den Streichern werden neben Hörnern auch Trompeten und Pauken zugesellt), zum anderen aber auch von der Faktur her pathetischer, schwerblütiger. Es beginnt mit einem zwar Grave betitelten Satz, dessen Charakter aber eher einem zum Allegro neigenden, strömenden Fluss gleicht, in dem das Eröffnungsmotiv bestimmend bleibt, ergänzt von einem lyrischen Motiv, das hauptsächlich den Streichern vorbehalten ist. Die Temporelationen der Sätze sind eher ungewöhnlich, denn auf das Grave folgt ein Andante in dreiteiliger Form mit einer von der Orgel eingeführten Pastoral-Melodie, in die sich eine bewegtere Moll-Passage einmischt, aber insgesamt bleibt die ruhige ländliche Stimmung bestimmend. Das Finale (Con moto) nimmt die Stimmung des ersten Satzes auf und führt das Konzert zu einem hymnischen Schluß.

 

 

OPERN

Seine kurze Karriere als Dramatiker begann Rheinberger 1862 mit der Erstfassung der Märchenoper ´Die sieben Raben` (angeregt von einem Aquarellzyklus Moritz von Schwinds), die er 1868 komplett umarbeitete. Obwohl die Uraufführung dieser Fassung 1869 in München ein großer Erfolg war, konnte sich das Werk nicht im Repertoire halten. Einerseits war es das schwache Libretto, andererseits aber auch die schwache Charakterzeichnung der Solopartien verbunden mit einer zumeist wenig eingängigen Melodik. Die Ouvertüre – basierend auf Motiven der Oper – veröffentlichte Rheinberger als Einzelausgabe.

Noch ein zweites Mal versuchte sich Rheinberger 1871 an einem Opernstoff, innerhalb von knapp sechs Wochen entstand die auf Ereignissen während des 30jährigen Kriegs basierende komische Oper Türmers Töchterlein, die im April 1873 in München uraufgeführt wurde. Eine umfassend revidierte Fassung wurde im Januar 1874 in Graz gezeigt. Auf Betreiben von Hans von Bülow erfolgte 1887 eine Wiederaufnahme in München, unter der Leitung von Richard Strauss. Danach verschwand auch Rheinbergers zweite Oper in der Versenkung, obwohl sie kompositorisch durchaus Fortschritte aufweist im Sinne einer Erweiterung der Lortzingschen Tonsprache mit Anklängen an Wagners ´Meistersinger`.

Dazu hat Rheinberger analog zu Carl Reinicke zwei am besten wohl Kinderopern genannte Werke komponiert: Der arme Heinrich op. 37 und Das Zauberwort op. 153. Beide sind geschrieben zu vierhändiger Klavierbegleitung (von der Ouvertüre zu op. 37 existiert auch eine instrumentierte Fassung) und haben in letzter Zeit Interesse gefunden an der Staatsoper Stuttgart, initiiert von Chorleiter Johannes Knecht.

Zu erwähnen zudem zwei Schauspielmusiken zu Calderons Der Wundertätige Magus op. 30 und Raymunds Die Unheilbringende Krone op. 36.

 

Rheinberger ging das Komponieren gut von der Hand, er galt als ´Schnellschreiber` trotz seiner seit frühen Jahren angeschlagenen Gesundheit (ab seinem 20. Lebensjahr behinderte ihn ein schweres Lungenleiden, später kamen weitere Probleme hinzu). Seine Bekanntheit beruht heute im wesentlichen auf seiner umfangreichen Orgel- sowie der geistlichen Chormusik. Andere Teile seines 197 Opuszahlen umfassendes Werk sind nach seinem Tod fast vollständig in Vergessenheit geraten trotz oder vielleicht gerade wegen seiner am klassischen Ideal eines Mozart und Beethoven orientierten Formgebung und Klangschönheit. Auffällig ist seine souveräne Beherrschung formaler Kriterien und des Kontrapunkts, während seine Melodik eher an barocke Vorbilder anknüpft, bei den geistlichen Werken scheint des öfteren ein Hauch Gregorianik durch. Hierin könnte ein Hauptgrund liegen, dass seine einstmals hochgeschätzten und beliebten Werke heute lediglich ein Schattendasein führen. Vielfach fehlt es ihnen bei aller modulatorischen Kunst am ´zündenden`, einprägsamen Einfall. Dennoch: seine Unterrepräsentanz (Ausnahme: das Jubiläumsjahr 2014, in dem die Rheinberger-Gesellschaft weitreichende Aktivitäten anregte) im heutigen Konzertleben ist bedauerlich, allerdings existieren zahlreiche, leider selten auf höchstem Niveau stehende Einspielungen seiner Werke.

 

 

Literatur:

Wolfgang Hochstein, Art. Rheinberger, Josef Gabriel in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 2005, online veröffentlicht 2016

Harald Wanger: Josef Gabriel Rheinberger – Eine Biographie Vaduz 2007

Martin Weyer: Die Orgelwerke Josef Rheinbergers Wilhelmshaven 1994

Han Theill: Die Klavierwerke Joseph Rheinbergers Wilhelmshaven 2000

Harald Wanger: Josef Gabriel Rheinberger und die Kammermusik St. Gallen 1978

Hanns Steger: Vor allem Klangschönheit – Die Musikanschauung Josef Rheinbergers dargestellt an seinem Klavierschaffen Hildesheim 2001

Stephan Hörner und Hartmut Schick (Hsgr):  Josef Rheinberger - Werk und Wirkung, Band 62 der Münchner Veröffentlichungen zur Musikgeschichte Tutzing 2004 

Hermann Kretzschmar: Führer durch den Konzertsaal

- Abteilung I Sinfonie und Suite Leipzig 1921

- Abteilung II Band I Kirchliche Werke Leipzig 1921

- Abteilung II Band II Oratorien und weltliche Chorwerke Leipzig 1920