Frage: Wäre die Nachwelt mit Hermann Goetz anders umgegangen, wenn George Bernard Shaw in einer Konzertkritik aus dem Jahr 1893, in der er über eine Aufführung der Sinfonie F-Dur op. 9 spricht, neben dem Lob für Goetz nicht auch Reihe von anerkannten Größen herabgesetzt hätte? Das Ganze liest sich so:
>Unter allen modernen Symphonikern weiß allein Goetz vom Anfang bis zum Ende auf unangestrengte, ungekünstelte Weise zu reüssieren. Er hat Schuberts Charme, nicht aber seine Hirnlosigkeit, Mendelssohns Finesse und Eingebung ohne seine Beschränktheit und scheue Eleganz, Schumanns Gefühl für harmonische Wendungen ohne dessen Bemühtheit, Unzulänglichkeit und Abhängigkeit von äußeren, poetischen Anregungen; während er bei seinem wirklich meisterhaften Umgang mit dem musikalischen Material, der sich in einer mozartischen Grazie und dem Sinn für Polyphonie zeigt, die drei [oben Genannten] einfach im Nirgendwo stehen lässt. Und Brahms, der allein ihm hinsichtlich der puren musikalischen Fähigkeit nahekommt, ist im Vergleich mit ihm ein Trottel<.
Ich denke, die Nachwelt wäre nur geringfügig stärker und länger auf Goetz aufmerksam geworden und geblieben. Dazu war seine Lebensspanne zu kurz; er starb 1876, war also zum Zeitpunkt von Shaws Artikel bereits 17 Jahre tot, was andererseits wiederum zeigt, dass das Interesse an seiner Arbeit auch nach seinem Tod für eine Weile lebendig blieb. Für eine dauerhafte Aufmerksamkeit aber war sein Oeuvre zu schmal, zu Lebzeiten veröffentlichte Werke reichen bis op. 13, diverse ungedruckte Werke aus dem Nachlass erschienen als op. 14-22, herausgegeben von seinem Freund Ernst Frank. Interessant ist der Shawsche Hinweis auf Mozart, dessen Arbeiten Goetz als junger Mann von ca. 20 Jahren zumindest als Operndirigent von Laienaufführungen in seiner Heimatstadt kennen- und schätzen lernte und die einen Teil seiner eigenen Kompositionen in nicht unerheblichem Maß beeinflusste.
Hermann Goetz wurde am 7. Oktober 1840 als 5. von insgesamt 7 Geschwistern (4 Schwestern, 2 Brüder) in Königsberg geboren. Seine Eltern betrieben gemeinsam eine Bierbrauerei, eine gute Basis für eine bescheidene bürgerliche, wenn auch extrem arbeitsintensive Existenz. Goetz` Interesse an Musik und Kultur allgemein wurde von den Eltern angeregt als Ergänzung zur geplanten bürgerlichen Karriere, es entfaltete sich langsam, eher war er zunächst an Mathematik interessiert, spielte aber im Alter von 10-11 Jahren recht gut Klavier (ersten Unterricht hatte ihm eine ältere Cousine erteilt) und versuchte sich immer wieder auch an ersten Kompositionen fürs Klavier, sie blieben allesamt Fragment.
Im Alter von 14 Jahren wurde eine Tuberkulose-Erkrankung evident, er brach plötzlich ohne äußeren Anlass zusammen, bei einer intensiven Untersuchung wurde das Virus festgestellt, TBC – damals unheilbar – begleitete Hermann Goetz als ständiger tödlicher Gefahrenherd für den Rest seines Lebens.
Auch im Alter von 17 Jahren war der Weg zur musikalischen Karriere keineswegs klar, trotz des Unterrichts ab Ende 1857 bei Louis Köhler, dem in jener Zeit bedeutendsten Klavierpädagogen Königsbergs, der von Schülern geradezu überrannt wurde. Nach dem Abitur im September 1858 (nach einigen Ehrenrunden) begann Goetz ab Oktober zunächst Mathematik und Physik in Königsberg zu studieren, gab das Studium nach 4 Semestern aber wieder auf zugunsten eines Musikstudiums in Berlin, eine Entscheidung, die er seinem höchst skeptischen Vater abringen musste (dem wäre eine bürgerliche Existenz lieber gewesen).
Ab 1. Oktober 1860 begann Goetz sein Studium am Sternschen Konservatorium, benannt nach dem Gründer, dem Gesangspädagogen Julius Stern. Sein Klavierlehrer dort war Hans von Bülow, in jenen Tagen noch verheiratet mit Liszts Tochter Cosima, der späteren Frau Nr. 2 Wagners. Nach 3 Semestern legte Goetz am 3. April 1862 seine Abschlussprüfung mit der Aufführung eines eigens komponierten Klavierkonzerts (Klavierkonzert Es-Dur) unter großem Beifall und Lob seiner Lehrer ab. Mit von Bülow, der seinen Schüler sehr schätzte, blieb Goetz zeitlebens freundschaftlich verbunden.
Nach dem Examen kehrte Goetz zur Erholung – immer wieder schwächte ihn seine Krankheit erheblich, wenn er – wie in der Examenszeit - stark belastet war – nach Königsberg zurück. Im Juni 1862 war er wieder in Berlin mit der festen Absicht, eine feste Anstellung zu finden, was sich dort als sehr schwierig erwies, aber, durch die Bekanntschaft mit Carl Reinecke – Gewandhauskapellmeister und Komponist (übrigens auch ein zu Unrecht vernachlässigter Komponist) – erhielt Goetz eine Empfehlung für eine Organistenstelle in Winterthur in der Schweiz, was ihm auch wegen des für seine Krankheit günstigeren Klimas sehr zusagte. Er bekam die Stelle, wenn auch zunächst nur probeweise für 2 Jahre, weil er an der Orgel eher talentierter Dilettant als Experte war, aber er war in der Lage, schnell zu lernen. Er trat seinen Dienst im Juni 1863 an, und blieb als Organist angestellt bis Anfang 1872. Daneben zeigte Goetz in Winterthur auch seine pianistischen Fähigkeiten, was ihm mangels Orchester, das er zwar zu gründen versuchte, das sich aber schon nach kurzer Zeit wieder auflöste, im wesentlichen als Solist und Kammermusiker gelang, immerhin so gut, dass er über den Beweis seines Könnens eine ganze Reihe von Schülern gewann (zeitweise waren es bis zu 18), die sein Salär als Organist erheblich aufbesserten. Die Anwerbung von möglichst vielen Schülern war auch immer das Ziel der Auftritte, denn eine glänzende Karriere als reisender Musiker war für Goetz aus verschiedenen Gründen undenkbar:
Zu Goetz` weiteren Aktivitäten gehörte die Gründung eines gemischten Chors, mit dem er 1864 seinen ersten Auftritt hatte mit Ausschnitten aus Bachs Johannes-Passion und Mendelssohns Psalm-Vertonung ´Wie der Hirsch schreit`. Daneben war Goetz Teil des sog. Sonntagskränzchens, bei dem sich Winterthurer Bürger zwanglos trafen, zum Feiern, Musizieren und hier und da wurde auch Theater gespielt, bevorzugt unterhaltsame einfache Stücke, für seine künstlerische Entwicklung also eher nebensächlich. Aber: Dort lernte er 1865 seine spätere Frau Laura Wirth (geb. 10.6.1845) kennen, geheiratet haben Hermann Goetz und Laura Wirth am 22. September 1868. Zuvor mussten beide erhebliche Vorbehalte der Braut-Familie berücksichtigen, die natürlich von seiner Krankheit wusste und erhebliche Bedenken hatte – namentlich die Mutter und Großmutter, der Vater war 1854 bei einem Unfall ums Leben gekommen. Laura aber sah in der Begegnung mit Goetz Lebensinhalt und Berufung und setzte sich schließlich durch. Es wurde nach allem, was bekannt ist, eine harmonische, wenngleich kurze Ehe, aus der eine Tochter hervorging, Margarete, meist nur Gretchen genannt, sie wurde geboren am 30. November 1869. Bei den Sonntagskränzchen lernte Goetz auch den schweizer Dichter Joseph Viktor Widmann kennen, der später Shakespeares Taming of the Shrew gemeinsam mit dem Komponisten zum Operntext umformte, jenes Werk also, das Goetz zu Lebzeiten als einziges internationale Anerkennung brachte.
Obwohl Goetz mit seiner Frau bereits 1870 von Winterthur in die Nähe von Zürich zog, war er aus finanziellen Gründen gezwungen, von Freitag bis Sonntag seinen Pflichten als Organist und Lehrer in Winterthur nachzukommen, was seiner stets gefährdeten Gesundheit infolge der vielen, beschwerlichen Reisen sehr schadete. Allerdings hatte er durch Auftritte in Zürich bereits vor seinem Umzug auch dort viele Freunde und Schüler gewonnen, aber erst zum Beginn des Jahres 1872 war die Zahl seiner Klavierschüler in Zürich so weit angewachsen, dass er seinen Vertrag in Winterthur aufkündigen konnte (lt. Brief an seine Mutter vom Ende 1871 hatte er in Zürich 27 Schüler). Weitere Einnahmen erzielte Goetz mit dem Schreiben von Musikkritiken u.a. für die Neue Zürcher Zeitung. In der Zürcher Zeit entstanden die Sinfonie op. 9, das Klavierquintett op. 16, das Chorwerk ´Nenie` nach Schiller op. 10, die Klavierstücksammlung Genrebilder op. 13 und natürlich die Oper ´Der Widerspenstigen Zähmung`, deren Genese – gemeinsam mit Joseph Victor Widmann - bereits in Winterthur im Frühjahr 1868 begann. 5 Jahre später – nach unendlich vielen Treffen, Briefen, Umarbeitungen – im April 1873 lag dann endlich der Klavierauszug fertig vor. Der große Erfolg der Oper ermöglichte Goetz und seiner Familie infolge der gezahlten Tantiemen ein auskömmliches Leben, so dass Goetz die Arbeit an einer zweiten Oper begann, Francesca da Rimini nach Dante, das Werk aber nicht mehr vollenden konnte. Hermann Goetz starb am 3. Dezember 1873 in seinem Haus in Hottingen bei Zürich.
Viele Jahre war die Musik von Hermann Goetz trotz des Einsatzes eines Gustav Mahler zu Beginn des 20. Jahrhunderts so gut wie vergessen. Dies ist glücklicherweise seit den 1990er Jahren zumindest durch den Einsatz diverser CD-Produzenten Geschichte, auch wenn der Name Goetz in Konzertprogrammen weiterhin höchst selten auftaucht. Das ist sehr schade, denn er war – mit den Worten seines akribischen Biografen Marek Bobéth - ´ein suchender, selbstkritischer, ehrlicher Komponist, der … mit dem Blut seines Herzens schrieb. Seine künstlerische Entwicklung verlief langsam, seine Ausbildung begann spät, seine Kreativität war eingeengt, seine Schaffenszeit war kurz bemessen; kein Komponist von Bedeutung hat so wie er sein Leben lang unter dem Stigma des Todes arbeiten müssen. Die trotz dieser Widrigkeiten …in weiten Bereichen erstaunliche Qualität seines Ouevres nötigen uns höchsten Respekt ab. Es geht nicht an, Goetz jovial als freundlichen Kleinmeister zu desavouieren; er war kein >verkanntes Genie<, aber ein hochtalentierter Komponist mit teilweise genialen Zügen … Es ist für uns Heutige ein Gewinn, die wichtigen … Werke dieses >unvergessen< Vergessenen aufzuführen und zu erleben.`
Hinzuzufügen ist noch, dass man Hermann Goetz getrost auch als einen ´Unvollendeten` bezeichnen kann, was angesichts seiner kurzen Lebensspanne nicht verwundert. Er war dabei, langsam, aber stetig seinen eigenen Stil, seine musikalische Identität zu finden, die in den früheren Werken deutliche Nähe zu Mendelssohn und Schumann durch die Auseinandersetzung mit den neuen Tendenzen eines Liszt oder Wagner abzustreifen, ohne sie kritiklos zu übernehmen. Es steht für mich außer Frage, dass in Goetz Hauptwerk, der ´Widerspenstigen`, Wagnerscher Einfluss zu hören ist (Lohengrin, der flexible Gebrauch von Erinnerungsmotiven), ohne dass die Über-alles-Qualität der Komposition dadurch in den Geruch einer Kopie gerät, eher hinderlich für eine erfolgreiche Wiederaufnahme scheint mir der auch in anderen komischen Opern dieser Epoche (Barbier von Bagdad, Corregidor) in weiten Teilen tiefe Ernst, die mangelnde Komik vieler Szenen zu sein, gepaart mit der für ein zeitgenössisches Publikum sicher schwer erträglichen rüden Domestizierung einer unabhängigen jungen Frau.
ORCHESTER
Sinfonie F-Dur op. 9
Die Sinfonie F-Dur vollendete Goetz im Sommer 1873, brachte aber nach 2 Aufführungen in Zürich und Mannheim im Jahr 1875 noch einige Änderungen in den Sätzen 3 und 4 an. Diese Fassung wurde unter der Leitung von Carl Reineke am 27. Januar 1876 im Leipziger Gewandhaus zum ersten Mal gespielt.
Satz 1
Der Satz beginnt verhalten mit Horn und Klarinette, der erste Motivkomplex wird in den Streichern angedeutet, dann spielen die Violinen den Komplex voll aus. Interessant, dass dieses Motiv quasi unmittelbar fortentwickelt wird, keinen richtigen Abschluss hat und in den 2. Motivkomplex für Flöte und Oboe übergeht (0.57-1.00) und schon sehr schnell wieder vom 1. Komplex abgelöst wird. Es entwickelt sich eine Art Durchführung innerhalb der Exposition bis hin zu einer Generalpause, danach erklingt das Hauptthema nach Moll gewendet. Der musikalische Fluss wechselt ständig hin und her zwischen den Themenkomplexen, es fällt schwer, die Entwicklung einem Sonatenhauptsatz zuzuordnen, eher wirkt die Komposition wie eine frei und stetig fließende Abfolge der Motive und ihrer Kombination und Abwandlungen.
Satz 2
Ein Hornmotiv eröffnet, Flöten und Oboen tragen Thema 1 vor, wieder das Horn, dann das ganze Orchester mit dem Thema, das Hornmotiv kommt noch einmal zurück, dann leitet eine Flötenkadenz ins Thema 2 über, von den Streichern vorgestellt (1.31), die Trompete übernimmt das Hornmotiv, dann alternieren Trompete und Horn bis hin zu einem Orgelpunkt des Horns, über dem sich ein drittes Motiv entspinnt, eher ruhig und fast weihevoll (3.25), die Hörner leiten über in den Schlussteil, der die beiden ersten Themen und ganz intensiv das Hornmotiv wieder aufnimmt. Ein formal sehr eigenständiger Satz, der in seiner Stimmung Natur und Wald assoziiert mit hörbaren Mendelssohn-Anklängen.
Satz 3
Ein monothematisches Adagio, dessen Motiv gleich zu Beginn von den Streichern vorgestellt wird, und in der Folge in stetigem Fluss verarbeitet, variiert wird, bis zu einem Moment in der Mitte des Satzes großer zweifacher Steigerung (4.32-6.00) mit einer für Goetz ungewöhnlichen, dissonierenden Spannung. Man kann diesen Satz durchaus als Variationssatz bezeichnen, wenn auch formal sehr frei in einem stetigen Fluss und nicht in klar getrennte Abschnitte eingeteilt. Allein für diesen Satz lohnt die intensive Beschäftigung mit der F-Dur Sinfonie.
Satz 4
Zu Beginn eine viertaktige Steigerung, dann Motiv 1 in den Violinen, kurz darauf ein zweiter Gedanke, eingeleitet von der spielerischen Flöte (0.44), und Sekunden später ein dritter Gedanke (0.59). Diese drei Motive werden in der Folge frei verarbeitet, eine Sonatenstruktur ist nur mit sehr viel Fantasie auszumachen, schlicht, weil auch nur der Ansatz einer Reprise fehlt. Der Satz hat Schwung und Energie bis zum flotten Ende, ein würdiger Abschluss für ein Werk, das viel zu selten in Konzerten zu hören ist.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung des Dirigenten Werner Andreas Albert mit der NDR Radiophilharmonie aus dem Jahr 1991 (cpo 999076-2)
Frühlingsouvertüre op. 15
1864 unter dem Eindruck des ersten Frühlings in Winterthur geschrieben, kann man diese Ouvertüre getrost als Programmmusik bezeichnen: ein Trompetensignal zu Beginn klingt wie ein Weckruf, aber noch ist der Winter nicht vertrieben, ein dunkles Motiv (d-moll) beherrscht die Szene, das allmählich von hohen Streichern abgelöst wird, das Trompetensignal erscheint noch einmal, dann nach einer kurzen Steigerung erscheint das schon vorher angedeutete Frühlingsthema (2.12), piano beginnend, aber langsam gesteigert bis zum Eintritt des gesamten Orchester. Ein längerer harmonischer Übergang führt ins Thema 2 (3.28), das wiederum in die Durchführung überleitet, zarte Farben überwiegen, ein Horn-Ruf darf nicht fehlen, zweimal taucht er auf, die Motive werden immer wieder neu miteinander verknüpft, in der Flöte taucht ein neues, zuckendes Motiv auf , fast scheint es die Oberhand zu bekommen, dann aber erscheint wieder das Frühlingsthema (formal ist das jetzt Reprise), über das zuckende Motiv in der Flöte erreichen wir wieder die beiden ersten Themen, hinein in die ausgedehnte Coda.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung des Dirigenten Werner Andreas Albert mit der NDR Radiophilharmonie aus dem Jahr 1991 (cpo 999076-2)
KONZERT
Klavierkonzert Es-Dur
Geschrieben als Abschlußarbeit seines berliner Studiums 1863, von dem Bülow noch Jahre später in einem Brief lobend sagte: mit viel Vergnügen gedenke ich noch Ihres Klavierkonzertes … worin sich wirkliche schöpferische Kraft aussprach, ist es nie offiziell gedruckt worden. Das ist insofern verwunderlich, als das Konzert, als einsätzig deklariert, aber zweifelsfrei in die drei üblichen Abschnitte eingeteilt, sehr schöne melodische Wendungen aufweist und überraschend gut instrumentiert ist. Es beginnt – eingeleitet und unterbrochen vom Orchester, das das erste Thema leise andeutet - mit einer kraftvollen Solokadenz, dann stellt das Piano das Thema 1 vor (2.37), das Orchester übernimmt, wieder ist es das Klavier, das ein lyrisches Thema 2 einführt (4.03), das auch vom Orchester übernommen wird. Der eher rhapsodische Charakter dieses Satzes zeigt sich in der Einführung eines 3. Themas (5.02), die Coda ist thematisch aus diesem Gedanken abgeleitet.
Der 2. Teil beginnt - Adagio überschrieben - im Klavier (0.00), und wie schon in Teil 1 übernimmt das Orchester den melodischen Gedanken nach mehr als einer Minute Solopiano, bis ein 2. Gedanke vom Orchester – umspielt vom Klavier - eingeführt wird (3.48) , der wieder zurückgeführt wird auf das den Eingangsgedanken, der immer leiser werdend in den 3. Teil überleitet, der piano beginnt, dann dramatisch im Orchester gesteigert wird, dann erscheint der Gedanke, der diesen Schlußteil im wesentlichen beherrschen wird (7.05) – diesmal vom Orchester eingeleitet, im übrigen eng verwandt mit dem 1. Thema des ersten Teils , unterbrochen kurz von einem Andante-Teil (7.48), der wiederum eng verwandt ist mit Thema 2 aus Satz 1; dann folgt leider gut 2 Minuten relativer Leerlauf incl. Auftauchen von Thema 2, dann aber ein schwungvoller Abschluss auf Basis von Thema 1.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung aus dem Jahr 1993 mit dem Pianisten Volker Banfield (Dirigent: Werner Andreas Albert, Orchester: NDR Radiophilharmonie – cpo 999 098-2).
Klavierkonzert B-Dur op. 18
1867 hat Goetz dieses Konzert geschrieben, in einer Zeit, in der er kaum größere gesundheitliche Probleme hatte, ein Umstand, der sich auch in der Leichtigkeit der Komposition bemerkbar macht – deutlich z.B. die häufige solistische Verwendung von Oboe, Horn und Klarinette, generell die Vermeidung eines kompakten Orchestersatzes, der Solopart ist dankbar virtuos, ohne extrem große Anforderungen an die technischen Fähigkeiten des Solisten, es könnte eine wertvolle Bereicherung des Repertoires darstellen. Die Sätze sind bezeichnet 1. Mäßig-bewegt, 2. Mäßig-Langsam, 3. Langsam/Lebhaft, Satz 1 und 2 gehen attacca in einander über.
Der erste Satz beginnt mit einer Hornfanfare, beantwortet vom Klavier, diese Passage wird dreimal gespielt, ein Motiv aus dem Klavierteil wird in einer kurzen lyrischen Episode weitergesponnen und mündet schliesslich in das eigentliche erste Thema (1.30), vorgetragen vom Klavier, fortgeführt vom Orchester und in der Folge wird ein Teil dieses Thema verarbeitet bis im Klavier ein zweites Thema auftaucht (3.50) (wobei 2. Thema fast übertrieben ist, denn es ist mit dem ersten Gedanken schon recht eng verwandt). Beide Themen werden in der Folge miteinander verwoben, im Dialog zwischen Klavier und Orchester, als Verkürzung, Abspaltung, schwer zu sagen, ob hier schon die Durchführung beginnt, ich sehe den Beginn eher bei der Erneuerung des Hornrufs mit dem anschliessenden 1. Thema, das genauso wie das 2. Thema weitreichend verarbeitet wird, ehe beide Themen analog zur Exposition verwoben und in eine ausgedehnte Kadenz überführt werden, die schließlich – ohne Reprise – in eine lyrische Coda, bezeichnet mit dolce und espressivo – übergehen, danach beginnt – attacca – der 2. Satz. Diese konventionelle Formanalyse kann aber den Intentionen des Komponisten durchaus zuwiderlaufen: eher bietet sich an, G. ein eigenständiges Formverständnis zu unterstellen, einen Aufbau in Prolog und Epilog, in dem nicht mehr die Gegensätzlichkeit der Themen und ihre Verarbeitung, sondern gerade ihre motivische und Ausdrucksähnlichkeit die musikalische Spannung ausmachen.
Es geht ohne Pause weiter (ab 14.46), modulierend vom Schlußton b hin zur neuen Tonika Es, ein ruhiges, ich finde sehr schönes Hornmotiv bereitet dann das 1. Thema im Klavier vor, das Hornmotiv taucht nochmal kurz auf, die Klarinette übernimmt das Thema, es folgt eine Überleitung, dann leiten die Streicher das 2. Thema ein, wieder ist es kein Kontrast, sondern Thema 1 durchaus ähnlich (18.34). Direkt nach der Vorstellung beginnt die Durchführung – diesmal kann man wirklich von einer Sonatenform sprechen – das Horn taucht natürlich auf, und dann noch einmal sehr prominent und ausführlich vor Beginn der Reprise.
Bei Satz 3 gibt Goetz das formale Gerüst selbst an: Introduktion und Rondo, aber es bedarf schon viel guten Willens, die Rondoform zu erkennen. Wie oft bei Goetz beginnt der Satz mit einer ausgedehnten langsamen Einleitung, ehe das einprägsame, schwungvolle Hauptthema einsetzt (1.07), kurz unterbrochen von einem lyrischen Einschub, der nächste lyrische Teil wird umspielt vom Hauptthema (man könnte an Durchführung denken, auch die Ausdehnung legt diesen Gedanken nahe), der erste Einschub taucht noch einmal kurz auf, das Hauptthema leicht verspielt und zart und dann, eine Überraschung: ein Taktwechsel von 6 Achtel zu vier Viertel und eine Pause (9.17), ein neuer Abschnitt, langsam überschrieben, eine Ableitung aus dem Hauptthema, das zum Ende triumphierend zurückkehrt.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung aus dem Jahr 1993 mit dem Pianisten Volker Banfield (Dirigent: Werner Andreas Albert, Orchester: NDR Radiophilharmonie – cpo 999 098-2), dabei werden die Sätze 1 und 2 als Einheit behandelt.
Die Uraufführung des B-Dur-Konzerts fand am 1. Dezember 1867 mit dem Komponisten am Klavier statt, der Erfolg war groß, die Basler Nachrichten kamen am Ende einer ausführlichen Rezension zu folgendem Schluß: (das Konzert) ist effektvoll ohne Effekthascherei, gediegen und doch im besten Sinne des Wortes modern. Der Rezensent wünschte Goetz darüber hinaus, das Konzert möge bald auch in den ersten Konzertinstituten Deutschlands vorgestellt werden. Dazu kam es nicht, Berlin und Leipzig lehnten ab, G. selbst spielte das Werk noch zweimal in Zürich, weitere Aufführungen sind bekannt durch Ernst Frank, der die Komposition 1879 auch als Teil der nachgelassenen Werke herausgab. In der Folge kam es zu gelegentlichen Aufführungen u.a. durch den renommierten Pianisten Eduard Erdmann (1924), in neuerer Zeit sind zumindest einige Schallplatten- und CD-Veröffentlichungen zu verzeichnen, z.B. von Michael Ponti (1973) oder Volker Banfield (1993) sowie relativ frisch von Davide Cabassi (2014).
Violinkonzert op. 22
Im Juli 1868 beendete Goetz die Arbeit an der Partitur zum Violinkonzert, obwohl gesundheitlich angeschlagen, war er bester Stimmung, seine Hochzeit mit Laura Wirth stand kurz bevor. Das Konzert hat eine ungewöhnliche Form, nicht wegen seiner Einsätzigkeit, sondern dadurch, dass diese Einsätzigkeit sowohl die traditionelle Abfolge schnell – langsam – schnell, und gleichzeitig auch in dieser Dreiteilung die Form des Sonatenhauptsatzes widerspiegelt.
Das Konzert beginnt stürmisch im Orchester, dann stellt die Solo-Violine das erste Thema vor, ein kurzer Übergang und noch einmal die Solo-Violine mit Thema 2, unterstützt von den Flöten. Ein drittes Motiv taucht auf, scherzando, bleibt aber eher Episode. Violine und Orchester spielen sich die thematischen Bälle sehr kollegial zu, dann tauchen, variiert, die Eröffnungstakte wieder auf und leiten über in den langsamen Teil des Satzes, auch hier übernimmt die Solo-Violine die melodische Vorstellung und das Orchester setzt fort, ein weiteres Motiv, melismatisch angehaucht, kommt hinzu, der Dialog zwischen Violine und Orchester setzt sich ruhig fort bis hin zu einem rezitativischen Teil, der überleitet in den Schlussteil, der mit einem Gedanken aus Teil 1 beginnt, dann, sofort erkennbar, das Thema 2 anstimmt, beide Themen werden fortentwickelt in einer Art weiterer Durchführung im Rahmen der Reprise (ab hier bis zur Kadenz ist das Konzert etwas lang geraten). Die Kadenz verarbeitet beide Themen ausgiebig und geht über in eine lebendige Coda mit tänzerisch-fröhlichem Charakter.
Zusammen mit einigen weiteren Werken des Komponisten gibt es eine Einspielung des Konzerts mit dem Geiger Gottfried Schneider aus dem Jahr 1991 (Dirigent: Werner Andreas Albert, Orchester: NDR Radiophilharmonie) (cpo 999 076-2)
KLAVIER
Waldmärchen
Geschrieben 1863 unter dem Eindruck eines Gewitters während eines Spaziergangs im Wald von Winterthur kommt das Waldmärchen am ehesten dem Begriff Programmusik nahe, dessen Abfolge sich aber nicht so recht erschliessen will. Es beginnt stürmisch mit dem bewegten Hauptthema, geht über in einen lyrischen Teil, dem eine Ableitung des Eingangsthemas gegenübergestellt wird, die Stimmung wird noch ruhiger (Ruhe vor dem Sturm). Dann bricht das Gewitter allmählich los, mit Blitz und Donner, ebbt langsam wieder ab, die Wolken verziehen sich, etwas entfernt grollt es weiter, scheint noch einmal näher zu kommen, dann aber hat der Spaziergänger es geschafft, er ist sicher im warmen Heim angekommen. G. hielt die Komposition, die ungedruckt blieb, für durchaus gelungen, mir erscheint sie trotz der vielfältigen klanglichen Schattierungen und des virtuosen Satzes zu lang.
Drei leichte Stücke op. 2
1863 geschrieben für den Unterricht eigener Schüler, bereits 1868 veröffentlicht, 1976 erschien eine Neuausgabe, es gibt offensichtlich weiterhin Bedarf für einfache Violinliteratur. Die drei Stücke sind überschrieben: Marsch, Romanze und Rondo, wobei letzteres dem Schüler neben der Übungsfunktion auch einen Einblick in die Möglichkeiten der motivisch-thematischen Verarbeitung eines Themas und die Formenlehre gibt.
Lose Blätter op. 7
Gewidmet sind diese 9 Einzelstücke, die Goetz während der Jahre 1864 und 1869 in Winterthur schrieb, Clara Schumann, möglicherweise als Reminiszenz an ihren verstorbenen Mann Robert. Sie erschienen Anfang 1870 in 2 Heften. Die 9 Stücke haben folgende Namen:
Durch Feld und Buchenhallen; 2. Frisch in die Welt hinaus; 3. Einsamkeit; 4. Liebesscherze; 5. Bei dir; 6. Ihr flücht`gen Winde, wohin, wohin; 7. Heimatklang; 8. Frühlingsgruß; 9. Auf Wiedersehen
Sie beschreiben sicher recht gut die unterschiedlichen Gefühlslagen des Komponisten wie seine Liebe zur Natur (1, 2, 8), seine Sehnsucht nach Königsberg und Familie (3, 6, 7) seine erwachende Zuneigung, Liebe (4, 5) zu Laura Wirth, aber auch den zwischenzeitlichen Verzicht (9).
Die meisten Stücke sind gesetzt in dreiteiliger Liedform oder dieser Form zumindest angenähert, Ausnahme lediglich die Nr. 1, sie ist monothematisch angelegt. In Stück 4 kontrastieren zwei melodische Gedanken, durchaus als weibliches und männliches Element zu verstehen, das erste Motiv spritzig und verspielt, das zweite eher kraftvoll, der Satz klingt ganz zart aus, natürlich mit dem ersten Motiv.
Mit dem 6. Stück beginnt das zweite Heft, damit auch die längeren und pianistisch anspruchsvolleren Stücke, aus denen die Nr. 7 als längstes Stück wegen seiner sehr differenzierten Gestaltung ebenso herausragt wie das letzte Stück wegen seiner überwältigenden Schlichtheit (Chopin klingt an, auch Schubert, auch wenn der Zyklus in seiner Gesamtwirkung eher an Mendelssohn denken lässt). Goetz hat sein Opus 7 geliebt, er hat im kleinen Kreis oft daraus vorgespielt.
Zwei Sonatinen op. 8
Beide sind relativ späte Werke, geschrieben im September 1871, beide gedacht für den Unterricht, der für Goetz bis 1874 einen Gutteil seines Lebensunterhalts sicherte. Beide Stücke haben eine eindeutig didaktische Zielrichtung und sind als solche durchaus sinnvoll als Ergänzung und Erweiterung des diesbezüglichen Repertoires (Clementi, Hummel, Czerny etc) für fortgeschrittene Schüler.
Genrebilder op. 13
Vermutlich sind die 6 kurzen Stücke in Zürich entstanden, veröffentlicht wurde der Zyklus 1876; die einzelnen Stücke sind nicht betitelt, stattdessen werden jedem Stück kurze Verse vorangestellt, für
Stück 1 vier Zeilen von Robert Prutz:
Jetzt wird sie wohl im Garten gehen,
der blüht und glüht im Sonnenlicht,
Und in die Ferne wird sie spähen –
Mich aber, ach, mich wird sie nicht sehen
Ein monothematisches Stück, die Melodie scheint fast ´unendlich`, dabei harmonisch vielschichtig schwebend, mit leichten schumannesken Anklängen.
Stück 2 (Theodor Storm)
Das Mädchen mit den hellen Augen
Die wollte Keines Liebste sein
Allegro scherzando, virtuos, harmonisch leider eher einschichtig
Stück 3 (Nikolaus Lenau)
Möchte wieder in die Gegend
Wo ich einst so selig war,
wo ich lebte, wo ich träumte,
Meiner Jugend schönstes Jahr
Innige Melodie, überschrieben Larghetto, weist vielleicht auf die Brahmsschen Intermezzi voraus
Stück 4 (Wilhelm Müller)
Wer schlägt so rasch an die Fenster mir
Mit schwanken grünen Zweigen?
Der junge Morgenwind ist hier
Und will sich lustig zeigen.
Presto, deutlicher Kontrast zu Nr. 3, Goetz zeigt sich hier deutlich bei Chopin
Stück 5 (Nikolaus Lenau)
Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen,
Und dem Wandrer rau und kalt
Kommt der Herbstwind nachgeflogen
Kräftiger Wind bläst, aber am Schluß ist der Wanderer glücklich zu Hause angekommen
Stück 6 (Albert Träger)
Schließe mein Kind
Schließe die Äuglein zu:
Leise und lind
Sing ich dich zur Ruh.
Ein schlichtes, mit warmen Farben versehenes Wiegenlied; ein würdiger Abschluss für diesen zweiten, insgesamt eher mit eigener Handschrift versehenen Zyklus, in dem es Goetz gelingt, die jeweilige Stimmung aus einem Grundgedanken zu entwickeln.
Alle Werke für Klavier solo liegen vor auf einer CD des Pianisten Christof Keymer aus dem Jahr 2011 (cpo 777879-2).
Sonate für Klavier zu vier Händen g-moll op. 17
Die dreisätzige Sonate entstand Mitte 1865, wurde aber erst nach Goetz` Tod 1878 als op. 17 herausgegeben. Sie beginnt mit einer langsamen Einleitung, in deren Dreiklangsbrechungen sich schon das 1. Thema (Beginn 1.24) spiegelt, das 2. Thema (2.03) weist wie häufig bei Goetz verwandtschaftliche Bezüge zum Thema 1 auf, was wiederum sehr hilft, die Themen ineinander fließen zu lassen (2.58) und sie in Durchführung und Reprise in mannigfacher Weise zu verschränken, kombinieren und beleuchten. Ein überraschender Moment kurz vor Ende des Satzes: fast scheint der Satz zu Ende (8.22), aber es ist nur ein subito piano verbunden mit der Reduktion des Tempos auf ´sehr langsam`, dann folgt der klare, nachdrückliche Schluss.
Satz 2 ist monothematisch angelegt, das Thema wird in zahlreichen Variationen ausgeführt, es entstehen Stimmungen und Bilder wie in den Losen Blättern oder den Genrebildern. Der Satz hat fast Intermezzo-Charakter, der Eindruck, der sich schon im ersten Satz aufdrängte: trotz der Sonatensatz-Form entsteht durch harmonische Erweiterungen und Verschiebungen beinahe so etwas wie eine Fantasie-Sonate (Bobeth).
Satz 3 beginnt mit dem fehlenden langsamen Satz, einem choralartigen Thema, 28 Takte lang, dann setzt nach einem kurzen Übergang das Hauptthema ein (2.26) und führt übergangslos einen zweiten Gedanken ein. Es folgt nach einer Wiederholung ein dritter Gedanke (4.01), der dreimal wiederholt wird, dann übernimmt wieder Thema 1, noch einmal taucht das Choralthema auf, die Schlussgruppe gehört wieder Thema 1. Der Ablauf erinnert an die Form des Rondos, aber auch hier deuten die Konturen in Richtung Fantasie, Stimmungen aufgelöst zu einer ganz eigenen Musiksprache.
Leider ist dieses Stück, das vermeintlich einen festen Platz in der Klavierliteratur zu vier Händen einnimmt, sehr selten zu hören.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung der Pianisten Horst Göbel und Kauro Konno (cpo 999086-2).
KAMMER
Klaviertrio g-moll op. 1
Ein frühes Stück von Goetz, geschrieben 1863, vom Komponisten als Opus 1 herausgegeben, was dafür spricht, dass er diese Komposition zumindest für ausreichend gelungen hielt, um sie einem größeren Publikum vorzustellen.
Satz 1
Zu Beginn die fast obligatorische langsame Einleitung, in der über einem Cello-Orgelpunkt das Klavier dreimal ein markantes Motiv wiederholt, danach, unterlegt vom Klavier, eine ruhige Passage im Cello, ehe die Violine das Hauptthema vorstellt, übernommen dann vom Klavier, zügig beginnt das Thema 2 – etwas ruhiger – in der Violine, wird sofort vom Cello übernommen und führt über die Vermischung beider Themen zurück in den feurigen Teil, aus dem sich die Durchführung wie von selbst entwickelt. In Durchführung und Reprise verarbeitet G. beide Themen so geschickt und originell, dass zum einen eine Verfolgung der Entwicklung nicht schwierig ist und zugleich großes Hörvergnügen bringt.
Satz 2
Gehört zunächst fast allein dem Klavier, die Streicher sind kaum mehr als schmückendes Beiwerk, erst im belebteren Mittelteil kommen sie zu wirklich zu Wort, dann wiederholt das Klavier den 2. Gedanken des Beginns, den die Streicher fast beseligt aufnehmen; insgesamt klingt der Satz etwas übersentimental, das mag der Stimmung des Komponisten in diesen Tagen Ende 1863 entsprochen haben
Satz 3
Ein kurzes, bewusst leicht spukhaftes Scherzo mit einem leicht beethovenschen Touch am Schluss, wenn die Triothema noch einmal ganz kurz angespielt wird.
Satz 4
Einleitung mäßig rasch, die Streicher gleiten über gebrochene Klavierakkorde, ein kurzer Übergang, aus dem Thema 1 entsteht, das wesentliche Teile des Satzes bestimmen wird, nach einem längeren Übergang erscheint das Thema 2 (dolce), erst in der Violine, dann im Cello, es folgt eine ausgedehnte Schlussgruppe, dann eine überraschend kurze DF, die ausschließlich von Thema 1 beherrscht wird und in einem Fugato endet, ehe die Reprise mit dem Thema 1 vorgetragen vom Klavier beginnt, sie ist erheblich länger als die DF, endet im zweifachen piano mit einem verlangsamten Thema 2, ehe eine schwungvolle Coda den Satz zum Abschluss bringt. Ungewöhnlich: der Schlusssatz ist der längste des Stücks.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung des Abegg Trios (TACET091DIG).
Streichquartett B-Dur
Die Entstehung des Streichquartetts ist nicht genau zu datieren, allgemein wird vermutet, dass es 1865, mit einer umfangreichen Revision im Folgejahr, entstanden ist.
Satz 1 (Mäßig bewegt)
Thema 1 erscheint sofort, nach einer kurzen Überleitung stimmt die Violine Thema 2 an (0.38), das vom Cello weitergeführt wird hinein in eine Art Überlappungsphase bis Thema 1 wieder durchdringt und in die Wiederholung der Exposition überleitet. Die Durchführung wird im Wesentlichen vom ersten Thema beherrscht, Thema 2 spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Reprise beginnt mit Thema 1 im Original, im Cello taucht Thema 2 auf, das zum Ende dazu dient, in die Schlußgruppe überzuleiten, die wiederum eindeutig vom 1. Thema bestimmt wird.
Satz 2 (ausdrucksvoll, aber nicht zu langsam)
Dies ist wohl der am stärksten von Resignation und Traurigkeit bestimmte Satz von Goetz. Leider sind die Themen der dreiteiligen Form wenig eingängig, für mich mindert es die Wirkung der Stimmung, die zu erklären ist aus dem sehr schwachen Gesundheitszustand des Komponisten in den Tagen insbesondere der Revision 1866. Bemerkenswert die kadenzartige Passage für die 1. Violine am Ende des Satzes.
Satz 3 (leicht und lebendig)
Ein dreiteiliges Scherzo, das diesen Namen nicht wirklich verdient – es wirkt eher fast wie eine Fortsetzung des 2. Satzes mit etwas anderen Mitteln, dem ebenso wie dem 2. Satz die thematische Prägnanz fehlt.
Satz 4 (mäßig rasch)
Ein prägnantes Thema leitet ein, es wird den Satz zusammen mit einem abgeleiteten rhythmisch und dynamisch verstärkten Motiv fast monothematisch bestimmen, auch wenn sporadisch ein Seitenthema (1.22) auftaucht und den Eindruck eines Sonatenhauptsatzes vermittelt.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung des Winterthurer Streichquartetts (Jecklin JD 703-2).
Klavierquartett E-Dur op. 6
Entstanden 1867, gehört das Klavierquartett zu den besten Kompositionen von Hermann Goetz.
Satz 1 (Rasch und feurig)
Nach einer sehr kurzen Klaviereröffnung erscheint sofort Thema 1 in der Violine, ein sehr prägnantes Motiv, das vom Cello ein- und schließlich vom Klavier fortgeführt wird, in ein Übergangsmotiv weiterleitet, bis schließlich die Bratsche das Thema 2 (1.38) anstimmt, das sofort von der Violine aufgenommen und dann im Klavier variiert wird bis hin zur Wiederholung der Exposition. Nach dem Ende der Wiederholung leitet das Klavier über in die Durchführung, in der beide Themen gleichberechtigt beleuchtet und verarbeitet werden. Fast scheint es als sei mit dem Erscheinen des 1. Themas in der Violine die Reprise eingeläutet, aber Goetz schiebt mit dem Verlassen der Tonika diesen Beginn hinaus, erst nach einem Crescendo der Streicher mit dem vollmundigen kraftvollen Einsatz des Klaviers beginnt die eigentliche Reprise, in der wiederum beide Themen ausgeleuchtet werden. Der Satz endet mit einer aus dem Thema 1 gewonnenen Coda.
Satz 2 (Langsam)
Der langsame Satz ist ein Variationssatz, von Goetz bezeichnet als Variation 1-4, vom Thema ist keine Rede, obwohl am Anfang des Satzes eine ausgedehnte Passage genau dieses Thema vorstellt und soweit entwickelt, dass man fast von einer nullten Variation sprechen kann. In den Variationen spielt das Klavier eine grosse Rolle (Variation 1 (2.13), 3 (5.23) als Führungsinstrument), Variation 2 (3.35) u. 4 (6.52) als kraftvoller Begleiter der Streicher. Aber nach Variation 4 ist der Satz noch nicht beendet: es folgt eine Coda (8.39) mit dem Hauptthema im Klavier als Ausgangspunkt, und dann, kurz vor Schluß, erklingt die Andeutung des Scherzo-Themas, noch einmal kehrt die gedrückte Stimmung zurück, dann aber
Satz 3 (Sehr lebhaft)
übernimmt das Scherzo-Thema attacca endgültig (10.49), schwungvoll, prägnant. Das anschließende Trio, von Goetz nicht so bezeichnet, hat völlig anderen Charakter und ist nicht nur von der Länge gewichtiger als Teil 1, erscheint fast wie eine verschobene Verlängerung des langsamen Satzes. Das Scherzo wird wortwörtlich wiederholt.
Satz 4 (sehr Langsam – Frisch und lebendig)
Der Satz beginnt mit einer langsamen Einleitung, die nach einer dreimaligen Steigerung in den Hauptteil mündet. Das Klavier stellt Thema 1 vor, dann folgen ineinandergreifend zwei sich ähnelnde Motive, Themen, die alle bereits in der Exposition umgeformt werden, während die Durchführung hauptsächlich vom Seitenthema bestimmt wird. Der gesamte zweite rasche Teil dieses Satzes wirkt wie eine komplette Verarbeitung der Themen, kein Ruhepunkt, in der ausgedehnten Coda zieht das Tempo noch einmal an und bringt den Satz zu einem für Goetz jubelnden Schluß.
Die Hinweise beziehen sich auf die Einspielung folgender Interpreten: Oliver Triendl (Klavier), Marina Chiche (Violine), Peijun Xu (Viola), Niklas Schmidt (Cello) (Tyxart TXA 15061).
Klavierquintett c-moll op. 16
Goetz hat im Januar 1874 mit der Komposition begonnen und sie nach seiner persönlichen Datierung bereits 20. April desselben Jahres fertiggestellt. Sicher hätte Goetz die Uraufführung gern selbst am Klavier bestritten, aber sein stark angeschlagener Gesundheitszustand ließ das nicht zu, so dass das Quintett erst am 23. Januar 1876 mit einem anderen Pianisten aus der Taufe gehoben, jedoch zu seinen Lebzeiten nicht mehr veröffentlicht wurde. In der gedruckten Partitur fehlt ein Motto, das Goetz seinem Autograph hinzugefügt hatte, ein Text aus Goethes Torquato Tasso, den Goetz leicht variiert hat:
Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,
Gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide – im Original heisst es: wie ich leide
Dieses Zitat hatte Goetz in einer Kritik zu einer Aufführung von Beethoven`s 2. Sinfonie zur Beschreibung der Beethovenschen Gehörlosigkeit und ihren Folgen angeführt, war dabei aber zu dem Schluss gekommen, daß der ´Meister` trotz seiner Leiden auch wieder ´für heitere Eindrücke empfänglich` war. Goetz hat für sich selbst eine solch positive Wendung im Klavierquintett nicht gefunden, vielleicht nicht finden wollen.
Satz 1
Ähnlich wie im 4. Satz des Klavierquartetts beginnt Goetz den Satz mit einer getragenen langsamen Einleitung, zunächst in den Streichern, dann tritt das Klavier verstärkend hinzu und leitet in Thema 1 über, aus der Fortführung dieses Themas entwickelt sich das Thema 2 mit etwas lyrischerem Charakter, beide Themen wechseln sich im weiteren Verlauf der Exposition ab, überlagern sich, dann nach einer kraftvollen Steigerung erfolgt die Wiederholung der Exposition. Auch die Durchführung benutzt gleichberechtigt beide Themenkomplexe. Der vermeintliche Sonatenhauptsatz entpuppt sich als verkürzt, weil ihm – wie dem letzten Satz der F-Dur Sinfonie – eine Reprise fehlt.
Satz 2 (Andante con moto)
Die Violine trägt das erste Thema vor, eine zarte Kantilene, die vom Cello übernommen, fortgesponnen wird und in Thema 2 überleitet, das zunächst dem Klavier gehört, Thema 1 kehrt in der bekannten Reihenfolge zurück, auch im folgenden beherrscht das zarte 1. Thema das Geschehen, vor der Schlußgruppe taucht Thema 2 noch einmal auf, ehe der Satz über absteigende Linien leise verklingt.
Satz 3 (Quasi Minuetto)
Die Titulierung ist für das Jahr 1874 schon sehr ungewöhnlich und ungewöhnlich ist auch die Gesamtstimmung dieses keineswegs tänzerischen Satzes. Es folgt zwar der klassischen Einteilung in Menuett – Trio – Wiederholung Teil 1, aber der Grundton des Stücks ist durchweg eher dunkel. Schon die Einleitungsakkorde verbreiten eher trübe Stimmung und auch das folgende Thema verbreitet keine wirkliche Fröhlichkeit, was ebenso gilt für das Trio, auch wenn dieser Teil entfernt an einen Ländler erinnert.
Satz 4 (Allegro vivace)
Das Kernmotiv wird vom Klavier vorgestellt, rhythmisch unstet und springend wie ein makabrer Tanz, es beherrscht den ganzen Satz bis hinein in ein lediglich leicht variiertes Seitenthema. Im Mittelteil dieses Satzes stellt Goetz sein kontrapunktisches Können unter Beweis mit einem ausgedehnten Fugato.
Vom Klavierquintett liegt eine Einspielung folgender Interpreten vor: Oliver Triendl (Klavier), Marina Chiche (Violine), Peijun Xu (Viola), Niklas Schmidt (Cello), Matthias Beltinger (Kontrabass) (Tyxart TXA 15061).
CHOR
Nenie op. 10
Im September 1874 stellte Goetz dieses Chorwerk fertig, uraufgeführt wurde es am 31. Januar 1875 im Rahmen eines Tonhalle-Abo-Konzertes in Zürich. Es gilt als eines der gelungensten Werke des Komponisten und ist der 5 Jahre später erschienenen Umsetzung des Schillerschen Gedichts durch Brahms durchaus ebenbürtig. Schiller besingt in seinem Gedicht, auf eine kurze Formel gebracht, den Sieg des Schönen – mit dem Begriff ´Klaglied` in der vorletzten Zeile setzt er das Schöne gleich mit der Musik - über den Tod, den er zuvor mit der griechischen Mythologie verbunden hat durch die Umschreibung des Todes von Eurydike, Adonis und Achilles.
Eine zunächst ruhige, dann dramatische Orchestereinleitung, in der bereits das Hauptthema in den Holzbläsern erklingt (0.30), das zum Ende des Stück mit einer zusätzlichen Wendung auf die Wörter ´ist herrlich` den ultimativen Trost durch den Gesang des Chors bringt. Der Chor beginnt a cappella mit der Zeile ´Auch das Schöne muss sterben`, die am Ende dieses Teils in ihrer klaren Unerbittlichkeit wiederholt wird; dazwischen kontrapunktisch verarbeitet, der 2. Halbsatz von Zeile 1 sowie Zeile 2 mit dem gesamten Chor. Die jeweils nächsten 2 Zeilen, von 3-8, die sich mit dem Tod von Eurydike, Adonis und Achilles sind rezitativisch gefasst, zugeordnet jeweils einer Chorstimme, in der Reihenfolge Tenor, Alt, Bass. Mit dem 9. Vers – Thetis beklagt zusammen mit den Nereiden den Tod ihres Sohnes – setzt wieder gesamte Chor ein in einer Art Arioso, das vielfach moduliert wiederholt wird. Noch einmal kippt die Stimmung von Moderato zu Allegro assai: Siehe, heisst es, da weinen die Götter, vielfach wiederholt, teilweise kontrapunktisch, teilweise kanonisch bis zum Ende. Aber weit gefehlt: Goetz setzt noch einmal in Zeile 13 und versöhnlich, tröstend verklingt das Stück.
Der musikalische Hinweis bezieht sich auf Einspielung des Dirigenten Werner Andreas Albert zusammen mit der Sopranistin Stephanie Stiller, dem NDR Chor und der NDR Radiophilharmonie. Die Aufnahme entstand 1991 (cpo 999 316-2).
137, Psalm op. 14
Geschrieben 1864, aber erst von Ernst Frank, der das Stück sehr schätzte, 1878 als op. 14 veröffentlicht, wurde das Chorwerk zu Lebzeiten des Komponisten nie aufgeführt. Den 137. Psalm, Klage der Gefangenen zu Babel, dürfte Goetz aufgrund seiner persönlichen Situation, seiner Sehnsucht nach der Heimat, vertont haben. Er komponierte die ersten acht Verse, den neunten, sehr brutalen, ließ er weg.
Das Werk ist vierteilig, Teil 1 verarbeitet den ersten Vers beginnend mit ´An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten` mit einer ruhigen Chorpassage. Im 2. Teil werden die Psalm-Verse zwei bis vier verarbeitet, im Gegensatz zum ruhigen ersten Teil ist dieser Teil erheblich dramatischer gestaltet, beginnend mit einem Sopran-Rezitativ, auf das der Chor erregt zu den Zeilen ´Wie sollten wir des Herrn Lied singen in dem fremden Land`, dann leitet eine Orchesterpassage zurück zu einem Sopran-Arioso, das in einen Dialog mit dem Chor mündet. Teil 3 ist wieder dem Chor vorbehalten, unterbrochen nur durch ein kurzes Bass-Rezitativ, an das sich eine ausgedehnte Chorfuge anschließt. Am Ende wird anstelle des neunten Verses die ruhige Eingangspassage wiederholt.
OPER
Der Widerspenstigen Zähmung
Das Libretto stammt von Joseph Victor Widmann, aber auch Goetz nahm auf den Text erheblichen Einfluss – er selbst schätzte seinen Textanteil auf etwa ein Drittel des fertigen Werks. Die Uraufführung fand nach einer wahren Gesprächs- und Verhandlungsodyssee am 11. Oktober 1874 unter der Leitung von Ernst Frank in Mannheim statt und wurde sehr gut aufgenommen. Insofern überrascht es nicht, dass die Widerspenstige noch zu Lebzeiten Goetz` (ihm blieben nach der Uraufführung noch gut zwei Jahre) vierzehn Mal in Deutschland und Österreich aufgeführt wurde, u.a. an der Wiener Hofoper, in München und Berlin. Aber auch nach Goetz` Tod wurde die Widerspenstige bis hinein in die 20er, 30er Jahre des 20. Jahrhunderts immer wieder aufgeführt, so u.a. durch Gustav Mahler 1906 in Wien, erregte auch im Ausland Interesse, in London 1889 oder in New York an der Met 1916. Nachkriegsaufführungen sind selten und führten zu keiner dauerhaften Revitalisierung der Oper.
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Baptista, ein reicher Edelmann aus Padua (Baß)
Katharina und Bianca, seine Töchter (Sopran)
Hortensio und Lucentio, Biancas Freier (Bariton und Tenor)
Petruchio, Edelmann aus Verona (Bariton)
Grumio, sein Diener (Baß)
Ein Schneider (Tenor)
Eine Witwe (Alt)
Haushofmeister (Tenor)
Haushälterin (Alt)
Der Chor stellt Nachbarn, Gäste, Dienerschaft und Volk dar
Ouvertüre
Eine kurze Einleitung, dann setzt in den Bläsern das Ouvertürenthema ein (0.17), das dieses Stück in weiten Teilen ausmacht. Lediglich im Mittelteil verwendet Goetz Motive aus der Oper, zunächst das Petruchio-Motiv (2.09), dann das Selbstbehauptungsmotiv Katharinas, zunächst sukzessiv, dann kontrapunktiert; diese Motive werden dramatisch gesteigert, plötzlich abgebrochen und durch ein zweites Motiv für Katharina (3.16) ergänzt, das an verschiedenen Stellen der Oper erklingt und ihre widersprüchlichen Emotionen beschreibt. Danach kehrt das Ouvertüren-Thema zurück und beendet die Ouvertüre schwungvoll und fröhlich. Der Mittelteil aber lässt ahnen, dass es nicht nur lustig zugehen wird in den nächsten gut zwei Stunden.
DIE HANDLUNG (Padua im 17. Jahrhundert)
ERSTER AKT
Vor dem Hause Baptistas.
Baptistas Töchter könnten kaum unterschiedlicher sein. Da ist die jüngere Bianca, ein lebenslustiges Mädchen, das nur so von Temperament sprüht und von vielen Männern begehrt wird. Die ältere Katharina hingegen ist fast immer schlecht gelaunt und scheint Haare auf den Zähnen zu haben. Deshalb interessiert sich auch kein Mann für sie. Zu Beginn der Oper bringt Lucentio bringt seiner angebeteten Bianca ein Ständchen. Baptistas Dienerschaft, die aus dem Hause stürzt, um sich den Quälereien Katharinas zu entziehen, unterbricht seinen Gesang. Baptista, der hinzukommt und sein Personal zu beruhigen versucht, hat allerdings keinen Erfolg, denn Katharina tobt noch vom Balkon herab. Die Nachbarschaft reißt ihre Fenster auf und verlangt lautstark Ruhe. Baptista gelingt es endlich durch Erhöhung des Lohnes, die unzufriedene Dienerschaft in sein Haus zurückzubringen. Lucentio kann jetzt endlich sein Lied zu Ende bringen und es entspinnt sich ein verliebtes Gespräch mit Bianca. Aber schon wieder werden sie gestört: Hortensio kommt mit einer Blaskapelle, um ihr eine Serenade darbieten zu lassen. Die beiden Rivalen um Biancas Hand geraten aneinander und abermals muß Baptista aus dem Haus kommen und für Ruhe sorgen. Er erklärt ganz unumwunden, erst müsse Katharina einen Bräutigam finden, ehe an Biancas Heirat gedacht werden kann. Ansonsten dürften nur solche Männer sein Heim betreten, die seine Töchter in Musik und Dichtung unterrichten könnten.
Hortensio schickt seine Musikanten davon, und auch Lucentio verlässt den Schauplatz. Unerwartet kommt Petrucchio, ein Edelmann aus Verona, mit seinem Diener Gremio des Weges. Nachdem ihm Hortensio sein Leid geklagt und ihn über die Wesensarten von Baptistas Töchter aufgeklärt hat, entschließt sich der Fremde, um Katharina zu werben; denn eine willensstarke Frau reizt ihn mehr als ein sanftes Täubchen.
Lucentios Serenade (Klinget klinget liebe Töne) ist ein schönes Stück, völlig ohne erwartbare Ironie, Goetz scheint – genau wie beim anschliessenden Duett mit Bianca – großen Wert darauf zu legen, die Gefühle der beiden als tief und echt darzustellen. Die kompositorische Ironie bleibt dem ältlichen Hortensio vorbehalten, der mit seinen Musikanten in das Ende des Duetts hineinplatzt, während Petruchios erster Auftritt begleitet wird von einem Motiv im Orchester, das ihn als grobschlächtig zeichnet, passend dazu seine Arie in einem durchgehenden Marsch-Rhythmus.
ZWEITER AKT
Im Hause Baptistas.
Katharina und Bianca sind beim Ankleiden; Katharina jagt, wieder einmal wütend, ihre Zofe hinaus, während Bianca sie zu beruhigen versucht. Katharina spricht ihre Schwester höhnisch auf die vorabendliche Serenade an und verkündet dabei stolz, daß sie die Männer verachte und sich auf keinen Fall an einen binden wolle.
Petruchio kommt mit Hortensio, der eine Laute über dem Rücken trägt und mit Lucentio, der ein Bündel Bücher über der Schulter hängen hat. Petruchio wendet sich als Bewerber um Katharinas Hand an Baptista, der darüber erstaunt, aber auch erfreut ist. Allerdings warnt er Petruchio vor den Launen seiner Tochter, ohne den Bewerber abschrecken zu können.
Während sich Petrucchio mit Baptista unterhält, hört man im Nebenzimmer Katharina toben. Nach einem hölzernen Krachen betritt Hortensio wieder die Szene, um seinen Hals die zerstörte Laute. Jetzt ist Petrucchio in seinem Element. Als Katharina ins Zimmer kommt, entspinnt sich zwischen ihr und Petruchio ein Disput, der erst launisch-ironisch beginnt, dann aber immer heftiger wird. Schließlich gesteht sich Katharina ein: „Er macht mir bang.“ Weiter geht der Streit, bis Petruchio plötzlich die Widerspenstige in seine Arme nimmt und ihr einen Kuß auf die Lippen drückt. Katharina „schmilzt dahin“ - ihre Niederlage ist damit besiegelt. Sie muß sich gestehen: „Ich möchte ihn fassen, ich möcht' ihn zerreißen und möcht' ihn doch mein eigen heißen.“
Baptista, der die Szene die ganze Zeit durch den Türspalt beobachtet hat, ist äußerst erfreut über die Wendung und tritt ins Zimmer - hinter ihm Bianca und die Dienerschaft.
Er verkündet die Hochzeit von Katharina und Petruchio schon am nächsten Tag, und läßt sich auch von Katharinas Widerspruch nicht beirren.
Die lyrische Orchestereinleitung kontrastiert stark mit der schlechten Laune Katharinas und ihrem Lied ´Ich will mich keinem geben`, das sozusagen das Pendant zu Petruchios Arie aus dem ersten Akt darstellt, ohne die charakterisierende Tiefe des Marsches zu erreichen. Danach herrscht für geraume Zeit fast rezitativischer Konversationston, das große Duett aber zwischen Katherina und Petruchio gehört zu den Perlen der Partitur. Das selbstbewusste Werben des Mannes, die ironischen Antworten der Frau bis hin zu dem Moment, in dem Katherina zu schwanken beginnt zu den Worten ´Er macht mir bang` sind musikalische Meisterstücke. Generell kann in diesen Momenten nicht mehr von Komödie gesprochen werden, wenn Katherina ihr 2. Motiv aus der Ouvertüre beginnend mit ´Ich möchte ihn fassen` zunächst allein, dann gemeinsam mit Petruchio anstimmt. Mit der Rückkehr Baptistas sind wir zunächst zurück im Konversationston, der Akt endet mit einem lebendigen Quintett.
DRITTER AKT
Festlich geschmückter Saal im Hause Baptistas.
Der Tag der Heirat ist gekommen. In vollem Brautschmuck wartet Katharina auf Petrucchio, doch dieser – so glaubt sie – scheint den Termin einfach vergessen zu haben. Schon treffen die Gäste ein. Der Brautvater hält eine Begrüßungsrede, die in den Worten gipfelt, die Hochzeit müsse vertagt werden, weil etwas Wichtiges fehle: der Bräutigam. So bleibt den Gästen nichts anderes übrig, als sich gleich wieder zu verabschieden. Nur die zwei „Hauslehrer“ bleiben, um Bianca zu unterrichten. Dabei geraten sie in Streit, wer von ihnen mit dem Unterricht beginnen dürfe. Bianca entscheidet sich für Lucentio. Der übergibt dem Mädchen einen Band Vergil und lässt sie eine bestimmte Stelle daraus vorlesen. Weil aber Bianca den lateinischen Text nicht versteht, übersetzt ihn sogleich Lucentio. Es ist eine feurige Liebeserklärung. Hortensio dagegen stellt sich äußerst tappig an und verscherzt sich jegliche weitere Gunst bei dem Fräulein. Beleidigt sucht er das Weite.
In stürmischem Jubel hüpft Baptista herein und kündigt die Ankunft des Bräutigams an. Dieser betritt sogleich mit seinem Diener den Saal. Doch bei deren Anblick ist nicht nur Katharina entsetzt: Die beiden sind auffällig erbärmlich gekleidet. Sie wirken auf alle wie zwei Landstreicher. Was die Braut nicht ahnt: Die Verkleidung ist Teil des Zähmungsprogramms! Petrucchio nimmt Katharina am Arm und zieht sie fort. Die anderen folgen ihnen zur Kirche.
Während der Trauung deckt die Dienerschaft die Tafel ein und Hortensio, der als erster aus der Kirche zurückkommt, erzählt mit Entsetzen in der Stimme von Petruchios unerhörtem Benehmen bei der Trauung. Dann kommt die ganze Gesellschaft und Petruchio lehnt das Festmahl rundherum ab, besteht im Gegenteil auf der sofortigen Abreise mit Katharina. Er zieht seine Frau an sich und eilt davon.
Die erste Szene, ein Quartett und ein Chor - garniert mit Baptistas Erklärungen – wirkt leicht langatmig, die folgende Unterrichtsszene hingegen ist nach Hanslick ´eine der hübschesten Szenen der Oper .. sie atmet Grazie und Geist`. Dann endlich – der Akt ist bereits eine Viertelstunde alt – kommt Bewegung in die Handlung: Petruchio tritt auf zu einer verlangsamten Variation seines Grobheitsmotivs, das seinen gesamten Auftritt begleitet, bei Katherina aber gibt es einen musikalischen Moment der Resignation, des Sich-Fügens, eingeführt zu den Worten ´nur einen Augenblick`, ein Motiv, das auch Lucentio aufnimmt ´Ich glaube dass sie füreinander passen` und auch Petruchio ´Macht schnell` vor dem Beginn des kurzen sparsamen Hochzeits-Marsches. Die beiden letzten Szenen des dritten Aktes sind schlicht zu lang geraten, zumal sie musikalisch nicht besonders gelungen sind, abgesehen von der Passage, in der Katerina eine lyrische Passage Petruchios aufnimmt. Der Akt endet mit einem ebenfalls etwas zu lang geratenen Ensemble.
VIERTER AKT
Im Hause Petruchios in Verona.
Glaubte Katharina bei ihrer Abreise in Padua noch, ihr Mann habe ihr seine gesamte Strenge offenbart, so wird sie in Petruchios Heim in Verona eines besseren belehrt. Der beginnt jetzt erst recht, ihr die Daumenschrauben anzuziehen, indem er Katerina ihr früheres Verhalten gegenüber ihren eigenen Bediensteten vorführt: Beim Mittagessen erklärt er die Suppe für versalzen und lässt sie abtragen. Den Braten hält er für zäh und fegt ihn vom Tisch. Der Dienerschaft befiehlt er gar, das Fleisch den Hunden zum Fraß vorzuwerfen. Danach lässt er die vor Hunger völlig erschöpfte Katharina allein zurück. Ihr Wille ist nun gebrochen. Petrucchio hat aus dem wilden Käthchen ein mildes Kätzchen gemacht.
Nachdem Petruchio zurückgekehrt ist, will er seine Frau zu einem Ausflug animieren. Katharina aber will nicht in die Gluthitze des Tages hinaus und beginnt zu weinen. Jetzt lernt sie die wahre Seite ihres Mannes kennen: Er nimmt sie liebevoll in den Arm und erklärt das grausame Spiel für beendet.
Überraschend erscheinen jetzt Baptista, die inzwischen ebenfalls verheirateten Bianca und Lucentio und auch Hortensio nebst Ehefrau. Alle Angekommenen staunen, welch große Wandlung die einst so kratzbürstige Katharina durchgemacht hat und freuen sich am Glück des jungen Paares.
Nach Petruchios Abgang beginnt Katerinas große Arie, eingeleitet von einem Violin-Motiv, geteilt in Rezitativ ´Die Kraft versagt` und ariosem Teil ´Es schweige die Klage`, in der sich verbal und musikalisch die endgültige Wandlung Katerinas vollzieht. Es folgt – wohl als komischer Kontrast gedacht – die sogenannte Schneiderszene, in der sich Petruchio noch einmal sehr rabiat zeigt. Plötzlich schlägt er sanfte Töne an, spaßhaft die Sonne als Mond ansprechend, hier wendet sich endgültig das Blatt über Katerinas Monolog beginnend ´Ich meine nichts` bis hin zum melismatisch gesetzten ´ich liebe dich, bin dein mit Seel und Leib`. Petruchio beendet das Spiel, Katerina antwortet ihm mit ihrem schon aus der Ouvertüre und dem Duett des 2. Akts bekannten Motiv, das er dieses Mal aufnimmt und dann endlich treffen sie sich zu einem wirklichen Duett, beginnend mit den Worten ´Das ist die Liebe`. Hier könnte die Oper enden, aber alle Protagonisten erscheinen noch einmal und das Werk endet mit einem fröhlichen Chor.
Die Ausschnitte sowie Hinweise auf Motive und Themen sind der von Joseph Keilberth geleiteten Gesamtaufnahme aus dem Jahr 1955 entnommen (Hännsler Profil PH 07007) .
Francesca da Rimini
Bis kurz vor seinem Tod hat Goetz fieberhaft an seiner zweiten Oper gearbeitet, konnte aber am Ende lediglich Skizzen hinterlassen, die Ernst Frank ergänzte und vollendete. Er brachte Francesca da Rimini am 30. September 1877 in Mannheim im Beisein von Johannes Brahms zur Aufführung. Weitere Stationen bis 1884 waren Karlsruhe, Leipzig, Schwerin und Hannover. Danach wurde es sehr still um die Francesca, woran auch eine Neufassung, die 1891 in Karlsruhe unter der Leitung von Felix Mottl aufgeführt wurde, nichts ändern konnte. Dem Werk blieb schlicht der Publikumserfolg versagt, auch die 1908 von Sir Charles Villiers Stanford am Londoner ´His Majesty`s Theatre` geleitete Präsentation in englischer Sprache mit Schülern und Schülerinnen des ´Royal College of Music` blieb eine Ausnahme.
Die Ouvertüre beginnt mit einer grüblerisch-langsamen Einleitung, der Hauptteil in Sonatensatz-Form verarbeitet zwei Themen aus dem zweiten Akt, die das Liebespaar charakterisieren, noch mehr aber die bösen Vorahnungen, die ihre Liebe begleiten. Sehr schön zum Ende der Durchführung eine Soloviolin-Passage von der Harfe unterlegt, die aber gnadenlos vom Hauptthema ´aufgefressen` wird.
Literatur:
Marek Bobéth: Hermann Goetz (Winterthur 1996)
Matthias Wiegandt: Art. Goetz, Hermann, Biographie in: MGG Online, hrsg. Von Laurenz Lütteken, New York, Kassel, Stuttgart 2016ff., zuerst veröffentlicht 2002, online veröffentlicht 2016
Andrew Hartman: The Music of Hermann Goetz, Art. in Music Web International, März 2019
Ulrich Schreiber: Opernführer für Fortgeschrittene 4. Auflage, Kassel 2010